Eine traurige Bilanz verkündeten die beiden Ministerinnen Nancy Faeser und Lisa Paus vergangene Woche. Die Zahl der Opfer häuslicher Gewalt in Deutschland erneut gestiegen. Im Jahr 2023 waren mehr als 256.000 Menschen betroffen. Dabei sind 70 Prozent der Opfer Frauen, für viele ist das Frauenhaus der letzte Ausweg.
Eike Weinrich führte zahlreiche Interviews mit Betroffenen, Felicia Zeller verdichtete es zu einem Theatertext, in dem sie sich wieder mal über die Wortungetüme des Behördendeutsch lustig macht: ein Markenzeichen ihrer Dramatik! Schon vor mehr als einem Jahr wurde „Antrag auf größtmögliche Enfernung von Gewalt“ in Oberhausen uraufgeführt, nun wurde die Inszenierung zu zwei der wichtigsten Festivals zeitgenössischer Stücke eingeladen: nach Mülheim und zu den ATT am DT Berlin.
Die vier Schauspielerinnen Susanne Burkhard, Rosa Dahm, Anke Fonferek und Maria Lehberg sind eingezwängt in ein Stahlskelett, das in der Box des DT wie ein Käfig wirkt. In konzentriertem Staccato sprechen sie die Erfahrungsberichte der Frauen, die unter Gewalt leiden. Mal fließen Behördentexte von kafkaesker Komik ein, mal räsonieren die Frauen in selbstquälerischen Gedankenspiralen, welche vermeintliche Schuld sie selbst daran tragen, dass die Männer sie malträtieren.
Eine Schwäche der Inszenierung ist, dass die faktengesättigte Recherche zu monoton und wenig spielerisch vorgetragen wird. Marlene Drexler arbeitete das in ihrer Nachtkritik-Besprechung zum Mülheimer Festival heraus, wo „Antrag auf größtmögliche Entfernung von Gewalt“ auch in der Jury-Diskussion nicht über die erste Runde hinaus kam: der Abend ist „oft merkwürdig brav, teils lehrstückhaft. (…) Doch läuft das zumeist frontal ins Publikum Gesprochene zu gleichförmig dahin – und letztlich gleichbleibend ins Leere.“
„Antrag auf größtmögliche Entfernung von Gewalt“ nimmt sich ein wichtiges Thema vor, künstlerisch bleibt das Gastspiel blass.
Bild: Axel J. Scherer