Im überraschend starken Cannes-Jahrgang 2024 findet sich mit „Emilia Pérez“ ein weiterer aufsehenerregender, die Genres sprengender Film. Zurecht räumte dieser furiose Stilmix im Mai zwei wichtige Preise ab: Regisseur Jaques Audiard gewann den Preis der Jury, eine weitere Silberne Palme ging an die Hauptdarstellerinnen Karla Sofía Gascón, Zoe Saldaña, Selena Gomez, Adriana Paz. Von dort tourte es weiter über die Festivals und machte aktuell erstmals in Deutschland Station, wo der Film den Douglas Sirk-Preis gewann.
Regie-Altmeister Audiard hat sich nach schwächeren Werken wie „The Sisters Brothers“ neu erfunden und hat in seine Wundertüte „Emilia Pérez“ sehr viel hineingepackt: Trans-Empowerment, Camp-Musical, politische Anklage gegen die Mordserien von Banden und Kartellen in Mexiko und ein Schauspielfest seiner Hauptdarstellerinnen – um nur die wesenlichen Zutaten zu nennen.
Im Zentrum des Films steht der Killer Manitas, der nach einer heimlichen Geschlechts-Angleichung als lesbische, flamboyante Trans-Frau Emilia Pérez ein neues Leben beginnt und an der Spitze einer NGO jene Morde aufklären will, die er zuvor befohlen hat. Beide Facetten dieser schillernden Persönlichkeit spielt die Trans-Frau Karla Sofía Gascón sehr überzeugend. Zuvor war sie vor allem auf das Genre der Telenovelas festgelegt. Um die Änderung ihrer Identität abzusichern, ist sie auf die Hilfe der in ihrem Job gelangweilten Anwältin Rita Moro Castro (Zoe Saldaña, bekannt aus diversen Hollywood-Blockbustern) angewiesen. Den Haupt-Cast komplettiert Selena Gomez als Jessi, die Gattin des Killers, die zunächst mit den Kindern in der Schweiz geparkt wird und mit der Legende vom Tod ihres Mannes abgespeist wird. Jahre später ist die Sehnsucht von Emilia nach ihrer Familie so stark, dass sie Rita anweist, sie in die großzügige Villa zu holen, in der sich die Trans-Frau als vermeintliche Cousine des Paten mittlerweile eingelebt hat. Die Vierte im Bunde der Silbernen Palmen-Gewinnerinnen ist Adriana Paz als Estefania.
„Emilia Pérez“ lebt von seinem leichtfüßigen Spiel mit den Genres, kombiniert virtuos Action mit großen melodramatischen Gefühlen, sozialrealistische Kritik an den Zuständen in Lateinamerika mit überschäumend-kreativer Zeichnung von Figuren, für die es keine realen Vorbilder gibt.
Nach dem Festival-Reigen wird „Emilia Pérez“ bereits Ende November in den deutschen Kinos zu sehen sein.
Bild: Neue Visionen Filmverleih, Wildbunch Germany