Minus 16

Mit zwei Stars der israelischen Tanz-Szene und ihren charakteristischen Handschriften startete das Staatsballett Berlin in die neue Spielzeit. Die zuckenden Cyborgs von Sharon Eyal enterten zunächst die Bühne: wie von ihr gewohnt lässt sie auch in ihrer vierten Berliner Arbeit das Ensemble auf halber Spitze zu wummernden Techno-Beats trippeln. Neu an „Saaba“, das im Pandemiejahr 2021 in Göteborg entstand, ist, dass Eyal das Stück diesmal nicht schrittweise entwickelte, sondern die Choreographie schon vor den Proben fertig im Kopf hatte. Ungewöhnlich ist auch, dass Ori Lichtiks Techno diesmal von zwei Indie-Pop-Songs gerahmt wird. Dramaturgin Katja Wiegand klärte das Publikum in der Stückeinführung auf: Ähnliche Songs verwendet Eyal immer zu den Proben neuer Choreographien, wirft sie dann aber kurz vor der Premiere stets planmäßig aus dem Programm, so dass nur noch der Techno-Maschinentanz ihrer roboterhaften Figuren übrig bleibt.

Dior-Kreativdirektorin Maria Grazia Chiuri entwarf die hautfarbenen Kostüme für das sich stets nach präzisem Zählschema neu formierende Ensemble. Mal schreiten sie wie in einer Kampfformation auf das Publikum zu, mal tänzeln sie seitlich wie an einer Perlenkette aufgereiht über die Bühne.

Schon während der Pause unterhält Lewis Turner als Solist die früher Zurückgekommenen mit clownesken Verrenkungen: unverkennbar der Stil von Mr. Gaga alias Ohad Naharin, in dessen Batsheva Dance Company Sharon Eyal vor mehr als drei Jahrzehnten zunächst als Tänzerin, später als Hauschoreographin begann. „Minus 16“ stammt schon aus dem Jahr 1999 und ist vor allem für den Stuhlkreis berühmt, in dem sich das Ensemble zum jüdischen Pessach-Lied „E´had mi yodea“ wellenförmig auf- und abbewegt und aus den Anzügen befreit.

Prägend für diese Choreographie sind die Stand-up-Soli, in denen sich die Tänzerinnen und Tänzer mit privaten Details oder Macken vorstellen, und die clowneske Lebendigkeit der wild schlenkernden Arme, die einen deutlichen Kotrast zur technoiden Strenge der angewinkelten Arme des ersten Teils von Eyal bilden.

Wer eine der nächsten Vorstellungen bis zum 29. November besucht, sollte beim Kartenkauf darauf achten, sich im Parkett nicht zu nah am Rand zu platzieren. Das Ensemble strömt am Ende von „Minus 16“ aus, jeder schnappt sich eine Tanzpartnerin oder einen Partner und zerrt die Person zum Mitmachpart auf die Bühne.

Langen Applaus erntete das Staatsballett zum Auftakt von Christian Spucks zweiter Spielzeit. Das israelische Duo Eyal/Naharin erwies sich wie erwartet als sichere Bank für einen Tanz-Abend auf hohem Niveau in der Deutschen Oper.

Bilder: Admill Kuyler

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert