Gering waren die Erwartungen vor der Pressevorführung von „Was Marielle weiß“, dem diesmal – abgesehren von drei Koproduktionen – einzigen deutschen Film im Berlinale Wettbewerb. Der Regisseur/Drehbuchautor Frédéric Hambalek ein unbeschriebenes Blatt. Seine Vita umfasst neben Kurzfilmen und einem No-Budget-Debüt noch einige Drehbucharbeiten für TV-Produktionen von ARD und ZDF. Zu oft haben wir in den vergangenen Jahren erlebt, dass unbekannte Namen als Füllprogramm in den Wettbewerb um die Bären gehievt wurden und dort schlecht aufgehoben waren.
Doch diese Produkion der mitternächtlichen ZDF-Reihe „Das kleine Fernsehspiel“ ist eine positive Überraschung. „Was Marielle weiß“ besticht durch pointierte Dialoge und eine konsequent ausgeführte Plot-Idee. Das Ehepaar Julia (Julia Jentsch) und Tobias (Felix Kramer) hat sich in einem recht langweiligen Leben mit Designerküche und Tochter eingerichtet, bis Marielle (Laeni Geiseler) plötzlich telepathische Fähigkeiten entwickelt. Für die Eltern wird es schnell peinlich, als sie damit konfrontiert werden, wie die Mutter in der Raucherinnenecke mit dem Kollegen Max (Mehmet Atesçi) über ihre unausgelebten Sexfantasien spricht und wie der Vater im Verlag von Nachwuchstalent Sören (Moritz Treuenfels) vorgeführt wird.
Sehr präzise entwickelt Hambalek seine Figuren. Die Eltern verheddern sich beim Versuch, ihre Lebenslügen wie gewohnt weiter zu vertuschen, in Tragikomik. Für das deutsche Kino sind der Humor und der stilsichere Umgang mit grotesken Motiven, der einige Beobachter an die ätzenden Sozialdramen von Yorgos Lanthimos erinnert, eine ungewohnte, sehr erfreuliche Bereicherung. Dieses Talent für schwarzen Humor und rasantes Timing zeigte sich schon in der Thriller-Komödie „Jackpot“ von Emily Atef (Hof 2020, ARD-FilmMittwoch März 2021), für die Hambalek das Drehbuch schrieb.
Festzuhalten bleibt: Im Gegensatz zur Flut deutscher Wettbewerbsbeiträge mancher Jahrgänge von Dieter Kosslick und Carlo Chatrian/Marietta Rissenbeek gibt es diesmal nur einen deutschen Film, allerdings einen sehr sehenswerten.
Der Kinostart ist für 17. April 2025 im Verleih von DCM geplant.
Bild: Alexander Griesser