achtung Berlin-Festival 2014

Das Festival achtung Berlin widmet sich vom 9.-16. April zum 10. Mal den neuen deutschen Filmen.

Höhepunkte im Programm waren zwei Beiträge von interessanten Berliner Regisseuren mit ganz unterschiedlichen Stilen, die bereits im Herbst 2013 in ausgewählten Kinos liefen und noch mehr Publikumszuspruch verdient hätten. Beide Filme liefen in der Sektion Festival Directors´Choice im Kino Babylon Mitte.

Allen, die sich intensiver mit den Ursachen der Finanzkrise und dubiosen Geschäftsmodellen der Banken befassen möchten, ist Marc Bauders Dokumentarfilm Master of the Universe zu empfehlen. Dr. Gerhard Schick, Finanzexperte der Grünen Bundestagsfraktion, stellte den Kontakt zwischen dem Dokumentarfilmer Bauder und dem ehemaligen Investment-Banker Rainer Voss her.

In beeindruckend präziser Sprache plaudert Voss aus dem Nähkästchen. Als er von einem großen Institut aus Altersgründen vor die Tür gesetzt wird, stellt Voss seine ganze berufliche Laufbahn selbstkritisch in Frage. Er nimmt das Kamerateam und die Zuschauer mit auf eine Reise hinter die Kulissen des Frankfurter Bankenviertels. In einem bis auf den zurückgelassenen Kabelsalat ehemaligen Trading Room mit Blick auf die Skyline erklärt Voss, warum SWAPS bei Stadtkämmerern zur Jahrtausendwende in Mode kamen oder wie sich ehrgeizige Nachwuchsbanker in Nachtschichten nach oben arbeiten.

Auch die Krise des Euro wird von ihm messerscharf seziert, sein bedrückendes Fazit: die Krise sei längst nicht überwunden, nach Griechenland, Portugal, Spanien und Italien gerate Frankreich ins Visier der Spekulanten. Wenn das eintrete, sei jedes Rettungspaket zum Scheitern verurteilt.

Mit bitterem Lächeln kommentiert er auch die vollmundigen Versprechen der Institute, dass sie sich von ihrem Zocker-Image lösen und Konsequenzen aus den Fehlern ziehen wollen. Beispielhaft dafür wird ein Commerzbank-Werbe-Spot eingespielt. Voss kann keinerlei Umdenken in seiner Branche erkennen.

Wer nach diesen ernüchternden Wahrheiten amüsante Unterhaltung sucht, ist bei Ich fühl mich Disco von Axel Ranisch richtig. Nach Dicke Mädchen überzeugt Ranisch, der bei Rosa von Praunheim an der HFF in Potsdam studiert hat, mit einer Komödie über das schwierige Verhältnis des übergewichtigen Florian, der am liebsten Schlager hört und sich ein Klavier wünscht, zu seinem Vater, dem Turmspringtrainer Hanno. Der liebevolle, sehr genaue Blick auf die gegensätzlichen Figuren und der Dialogwitz sind die entscheidenden Zutaten für eine der raren gelungenen deutschen Komödien.

Zum Festival-Jubiläum lohnt sich auch ein Blick in die Retrospektive mit dem Thema Berlin im Film der Neunziger Jahre: das Lebensgefühl der Stadt im Umbruch hat Wolfgang Beckers mit seinem Filmtitel Das Leben ist eine Baustelle  1997 (mit Jürgen Vogel und Christiane Paul in den Hauptrollen) auf den Punkt gebracht. Daneben sind aber auch einige fast schon vergessene Filme neu oder wieder zu entdecken, z.B. Marcel Gislers Die blaue Stunde über drei junge Leute (Theo, Marie, Paul) im Berlin des Jahres 1991, das zur Hauptstadt werden soll.

Einen bemerkenswerten Dokumentarfilm stellte Nana Rebhan vor: Welcome Goodbye! beleuchtet die rasant steigenden Touristenzahlen in Berlin. Klaus Wowereits Senat hat zwar kein klares Konzept zur Stadtentwicklung, das vielfältige kulturelle Leben von Philharmonie bis Berghain zieht aber nicht nur die Easy-Jet-Generation an. In dem nachdenklichen Film kommen verschiedene Perspektiven zu Wort: von einem Stadtführer, der die Touristen als Geldquelle entdeckt hat, über den Leiter des Berliner Tourismus-Marketing bis zu alteingesessenen Kreuzbergern aus dem Wrangelkiez oder der Oranienstraße, die unter den Rollkoffern auf den Kopfsteinpflastern vor den Ferienwohnungen leiden.

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