Enjoy Schatz

Dieser Look ist ungewohnt für die Schaubühne. Jovana Reisinger tritt mit blonden Hairextensions und einem Bodysuit voller Glitzer und Strass vors Publikum, darauf prangt in großen Lettern „SEXSYMBOL“. Sie kokettiert mit dem Klischee einer tussigen Barbie und macht es sich dann in lasziveren Klamotten bequem.

In bayerisch-österreichischer Sprachfärbung liest sie aus ihrem Essay-Band und spielt sich mit Veronika Bachfischer die Bälle zu. Die Schaubühnen-Spielerin taucht nach dem Vorgeplänkel-Intro auf, als sich die Muschel öffnet, die Lena Marie Emrich für diese Studio-Produktion gestaltete.

Die knapp zwei Stunden spielen mit dem auf Theaterbühnen so beliebten Motiv der Autofiktion: wie viel Wahres und wie viel Erfundenes steckt in den Anekdoten und Episoden aus dem Leben einer Schriftstellerin, die von ihrem Mann verlassen wird, neue Erfahrungen auf dem Dating-Markt sammelt und sich Gedanken über ihre Außenwahrnehmung, Klassismus und Feminismus macht?

Dementsprechend schwankt der Abend, den die beiden Protagonistinnnen mit Regisseurin Sarah Kohm und Dramaturgin Elisa Leroy eingerichtet haben, zwischen szenischer Lesung, ein paar nachdenkenswerten Takes über Klassismus und Feminismus und einer komödiantisch überzeichneten Performance über das Leben einer sexpositiv auftretenden Schriftstellerin.

Am besten ist „Enjoy Schatz“, wenn Bachfischer und Reisinger direkt miteinander agieren, letztere immer kokett hinter Ironie verschanzt und mit knappen Einwürfen kommentierend, was ihr Alter ego gerade durchmacht.

Die Zielgruppe gleichaltriger junger Frauen hat Reisinger damit offensichtlich abgeholt, sie applaudierten stehend. Die Berliner Kritik blieb etwas reservierter: Der Abend ist doch zu sehr Reisinger-Show, ein gekonntes Spiel mit Buzzwords und ein Surfen auf den Klischees. Empfehlenswert zur Vor- oder Nachbereitung des Abends ist das ZEIT Online-Porträt der Autorin und Schaubühnen-Debütantin, das beim Erdbeer-Eisbecher in Neukölln entstand.

Bild: Gianmarco Bresadola

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