Die Gehaltserhöhung

Sie ist eine Meisterin des komödiantischen Timings: das bewies Anita Vulesica schon bei ihren Auftritten als Schauspielerin, die leider nur noch rar sind. Das beweist sie nun auch in ihrer zweiten Karriere als Regisseurin. Auf der Zielgeraden der Theatersaison hat sie sich einen fünf Jahrzehnte alten Text des französischen Experimentalisten Georges Perec vorgenommen.

Ein graumäusiger Angesteller nimmt allen Mut zusammen, den Abteilungsleiter (Beatrice Frey) um eine Gehaltserhöhung zu bitten. Der Angestellte ist auf sechs Spieler*innen aufgeteilt (Abak Safei-Rad, Evamaria Salcher, Frieder Langenberger, Moritz Grove, Katrija Lehmann, Jonas Hien), die alle Selbstzweifel und Stimmen im Kopf des Protagonisten performen. In 100 Minuten wird ihr Antrag auf Gehaltserhöhung zum Sisyphos-Parcours durch ein kafkaeskes Labyrinth.

Kaum kommen sie einen Trippelschritt voran, geht es doch wieder zurück auf los. Die Mühe beginnt von vorn. Zahlreiche Hürden sind zu nehmen, zunächst muss man überhaupt mal am Vorzimmer-Drachen Frau Yolande (Ingo Günther mit hochtoupierter Frisur und aus Herbert Fritschs Zeiten bewährten Live-Musik-Beats) vorbei, dann trifft man auf die vielbeschäftigte Führungskraft der mittleren Ebene, die den Angestellten abwimmelt, auf morgen vertröstet oder im besten Fall mit ein paar schönen Phrasen abspeist. An diesen Mechanismen hat sich trotz des Hypes um neue Management-Methoden und flachere Hierarchien auch 50 Jahre nach der Uraufführung dieses selten gespielten Stücks wenig geändert.

Dieses stark rhytmisierte Sprachspiel lebt von der Präzision, mit der das Ensemble agiert und Mirjam Klebels Choreographien einstudierte. Bei Anita Vulesica und ihrem Team funktioniert die Groteske um die Gehaltserhöhung wie ein Uhrwerk. Ein schöner Spaß zum Saison-Ausklang, der inhaltlich aber überraschungsarm bleibt: das Bauprinzip von Stückvorlage und Inszenierung ist von Beginn an klar, wird hier souverän umgesetzt.

Bilder: Eike Walkenhorst

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