Empusion

In ein ehemaliges Grand Hotel hat das Lausitz-Festival seine zweite große Schauspiel-Premiere des aktuellen Jahrgangs verlegt. Festival-Dramaturg Michael Höppner erzählte in der Einführung von der wechselhaften Geschichte des „Forster Hofs“, der nach dem Verwelken früher Gründerzeit-Pracht mal als Theatersaal, mal als Kino genutzt wurde und mit den drei „Empusions“-Vorstellungen wiederbelebt werden soll.

Der Saal in dem deutsch-polnischen Grenzstädtchen Forst passt tatsächlich sehr gut zur Roman-Vorlage der polnischen Literaturnobelpeisträgerin Olga Tokarczuk: „Empusion“ spielt in einem Kurhotel kurz nach der letzten Jahrhundertwende, genauer gesagt im Vorkriegsjahr 1913, im schlesischen Görbersdorf/Sokołowsko, das nur 2,5 Autostunden jenseits der Grenze liegt.

Der im vergangenen Jahr auf Deutsch erschienene Roman ist eine queer-feministische Parodie auf den „Zauberberg“ von Thomas Mann. Ähnlich ausfernd-mäandernd wie bei dem Klassiker ist auch die Erzählweise vob Tokarczuk: eine gewaltige Herausforderung für Lucien Haug, der am Theater Basel bereits mehrfach mit Regisseur Antú Romero Nunes zusammengearbeitet hat, daraus eine Stückfassung zu machen.

Natürlich schimmert in den zwei Spielstunden immer wieder durch, dass wir es hier mit einem Abend zu tun haben, der auf einer Roman-Vorlage basiert, die erst mühsam für die Bühne bearbeitet und zurechtgeschliffen wurde. Die Spielfassung ist sehr dialogisch und konzentriert sich auf das Wesentliche. All die atmosphärischen Beschreibungen, die den Reiz des philosophischen Schauerromans ausmachen, werden zwangsläufig eingedampft, so dass manche Dialoge auf der spartanisch ausgestatteten Bühne im luftleeren Raum wirken.

Das prominente Frauen-Ensemble kann dies zum Teil wettmachen: Während sich bei Tokarczuk gut situierte Männer um Kopf und Kragen reden, treten bei Nunes ausschließlich fünf Frauen in den zentralen Rollen auf. Mit Paraphrasen von misogynen Tiraden von Arthur Schopenhauer, Sigmund Freud und Friedrich Nietzsche lassen sie ihrer toxischen Männlichkeit freien Lauf. Die Stärke der Inszenierung ist, dass die Spielerinnen sehr deutlich machen, dass hinter den kraftmeierenden Sprüchen tiefe Verunsicherung steckt.

Nunes neigt hin und wieder dazu, die Komik bis ins Albern-Kindische zu übertreiben. Glücklicherweise tappt er diesmal nicht in diese Falle. Die toxische Männlichkeit wird zwar als Karikatur deutlich hervorgehoben. Aber es ist dem gesamten Team mit dem Thema so ernst, dass sie davor zurückschrecken, die Männer als Knallchargen anzulegen.

Innerhalb des Ensembles ragen vor allem Sabine Waibel als Wiener Altertumsforscher August August in seiner verklemmt-homoerotischen Übergriffigkeit, Gro Swantje Kohlhoff als gebrechlicher, dauerhüstelnder Berliner Jüngling Thilo von Hahn und Aenne Schwarz als androgyne Hauptfigur Mieczyslaw Wojnicz hervor.

In Forst gibt es noch zwei weitere Vorstellungen heute und morgen, anschließend wird „Empusion“ an den koproduzierenden Bühnen in Basel, Cottbus und Köln zu sehen sein.

Bild: Krafft Angerer

 

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