Seit Jahren hat der iranische Filmemacher Mohammad Rasoulof mit der Repression des Mullah-Regimes zu kämpfen. Nach seinem mit dem Goldenen Bären prämierten Film „Doch das Böse gibt es nicht“ wurden die Daumenschrauben angezogen. Er filmte dennoch unter dem Radar weiter, die Filmrollen für „Die Saat des Feigenbaums“ schmuggelte Andrew Bird nach Hamburg, wo er sich um den Schnitt kümmerte.
Weite Strecken des fast dreistündigen Films wurden auf engstem Raum in der Wohnung von Iman (Missagh Zareh) gedreht. Er hat endlich die langersehnte Beförderung zum Untersuchungsrichter geschafft, als die „Frau Leben Freiheit“-Revolution zu brodeln beginnt. Das Regime verlangt, dass Iman er die Anklagen der zahlreichen Inhaftierten wie am Fließband abnickt, ohne die Akten genauer zu prüfen.
Auch in Imans Familie beginnt es zu gären: seine Frau Najmeh (Soheila Gohestani) hält ihm zunächst noch bedingungslos den Rücken frei. Die beiden Töchter Rezvan (Mahsa Rostami) und Sana (Setareh Maleki) bekommen von ihren Freundinnen die Social Media-Videos von der Gewalt gegen Demonstranten zugespielt, lachen nur noch über die Propaganda im Staatsfernsehen und stellen unbequemere Fragen. Dokumentarische Aufnahmen der iranischen Proteste wurden auch in die Spielfilm-Handlung montiert.
Heimlich versorgen Frau und Töchter die Wunden eines verprügelten Mädchens. Als Iman seine Dienstpistole nicht mehr findet, wächst sein Misstrauen gegen die gesamte Familie. Aktivisten stellen seine Wohnadresse ins Netz, so dass Iman mit Frau und Töchtern in seinen Geburtsort in der Provinz flieht. Je mehr er sich in die Enge getrieben fühlt, desto brutaler schlägt er jede Regung eines Widerstands nieder.
Es ist beeindruckend, mit welchem Engagement Rasouluf trotz der stark eingeschränkten Handlungsspielräume weitermacht und seinem politischen Kino treu bleibt. „Die Saat des heiligen Feigenbaums“ wurde nach der Premiere in Cannes hoch gehandelt, viele sahen sie als Favoritin für die Goldene Palme. Der aktuelle Jahrgang war mit so vielen starken Regie-Handschriften und avancierten Drehbuch-Ideen gespickt, die künstlerisch oft noch mitreißender waren, jedoch unter viel geringerem politischem Druck entstanden, dass sich die Jury schließlich entschied, Rasoulof mit einem Spezial-Preis zu ehren. Außerdem gewann er den FIPRESCI-Preis der Fachpresse und den Preis der Ökumenischen Jury.
Beim Filmfest Hamburg, wo Rasoulof mittlerweile im Exil lebt, wurde der Film nach einigen weiteren Festival-Stationen auch in Deutschland präsentiert. Kurz zuvor wurde bekannt, dass dieses von arte und der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein koproduzierte Drama für Deutschland in das Oscar-Rennen um den besten fremdsprachigen Film gehen wird. Am 29. November wird dieses filmische Manifest auch die nächste Ausgabe von „Around the World in 14 films“ in der Berliner Kulturbrauerei eröffnen. Eine gute Wahl, da es sich um einen der wichtigsten und beklemmendsten politischen Filme des Kinojahres handelt.
Bild: Films Boutique