Die Achse der Autokraten

Nur knapp 200 Seiten schmal ist dieser Essay, aber eines der meistbeachteten Bücher der Saison. Anne Applebaum, US-amerikanisch-polnische Journalistin, Kolumnistin und Historikerin, lehrte an vielen renommierten Hochschulen und ist mit dem polnischen Außenminister Radoslaw Sikorski verheiratet. Sie machte sich einen Namen mit ihrer Studie zum „Gulag“-System (2003) oder „Twilight Democracy/Die Verlockung des Autoritären“ (2021)

Ihr neuer Band, der im Original „Autocracy, Inc.“ heißt, untersucht das Geschäftsmodell von Wladmir Putin und Co. Trotz ideologischer Gegensätze sind autokratische Regime gut vernetzt und unterstützen sich gegenseitig ganz pragmatisch, wenn es gegen den gemeinsamen Feind geht, die liberalen, als degeneriert empfundenen, Demokratien des Westens.

Spät wurde erkannt, mit welchen Mitteln die Autokratien hybride Kriege gegen den Westen führen: wir erleben nicht nur seit 1.000 Tagen die militärische Vollinvasion Russlands in der Ukraine, sondern auch anhaltende Versuche, die Spaltung westlicher Gesellschaften  zu vertiefen. Die Instrumente dafür sind Bots und Trollfabriken, die in den weithin unregulierten Sozialen Medien für Eskalation sorgen. Dabei zielen sie auf bereits vorhandene Spannungen, wie Applebaum am Beispiel der katalanischen Separatisten zeigte. Einige Passagen des anekdotisch aufgebauten Buches las Maren Eggert aus der deutschen Übersetzung von Jürgen Neubauer.

Katja Gloger, langjährige Korrespondentin für den stern in Moskau und Washington, fragte die frischgekürte Friedenspreisträgerin des deutschen Buchhandels, natürlich vor allem nach ihrer Einschätzung zum gewählten, aber noch nicht vereidigten US-Präsidenten Donald Trump. Erstaunlich entspannt sah Applebaum seine Versuche, die Checks and Balances auszuhebeln. Damit werde er nicht durchkommen, die amerikanische Demokratie sei stabil. Hoffentlich behält sie recht. Wenn man aber sieht, wie gezielt Trump seine Administration mit Hardlinern besetzt und wie loyal die Parlamentsmehrheit der Republikaner ihm ergeben sind, bleiben doch Zweifel und Sorgen.

Klar ist, dass die USA unter Trump als Führungsmacht, die für westliche Werte eintreten, künftig ausfallen. Deshalb kommt es nun darauf an, dass Europa zusammensteht und diese Lücke füllt. Mit dieser Forderung steht Applebaum natürlich nicht allein. Diese Position ist in Publizistik und Politikwissenschaft weit verbreitete Mainstream-Haltung.

Als unerschütterliche Optimistin zeigte sich Applebaum auch in ihrem Schlussplädoyer: die Trump-Wahl sei der „last call“. Aber den Menschen sei nun bewusst geworden, wie kostbar und verletzlich die Demokratie ist. Deshalb werden die Demokratinnen und Demokraten zusammenstehen und die offene Gesellschaft und den Rechtsstaat verteidigen. Ob sich diese Hoffnung erfüllt, muss sich zeigen. Eine Alternative zum entschiedenen Eintreten für die Demokratie gibt es nicht.

Wesentlich pessimistischer begann der Abend in der Kammer des Deutschen Theaters. Die beiden Chefinnen der Co-Veranstalter, Iris Laufenberg (DT) und Lavinia Frey (internationales literaturfestival berlin), traten gemeinsam vor das Publikum. Die Hausherrin begann mit der düsteren Botschaft, dass ihr ab 1.1.2025 die Summe von 3 Mio. € fehlen wird, und beklagte erneut die konfrontative, intransparente Haltung des Senats.

Bild: Nora Mengel © internationales literaturfestival berlin

 

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