Café Populaire Royal

Klassismus ist das große Thema, das Nora Abdel-Maksoud in ihren Komödien umtreibt, die sie meist auch selbst inszeniert. Bereits mehr als sechs Jahre ist „Café Populaire“ alt, das im April 2016 am Zürcher Theater Neumarkt uraufgeführt wurde und ein Jahr später beim Autorentheatertage-Gastspiel an Uli Khuons DT Berlin mit dem Hermann Sudermann-Preis ausgezeichnet wurde.

Zentrale Idee dieses Stücks ist es, der linksliberalen Kulturschickeria-Blase den Spiegel vorzuhalten. Aus diesem Milieu kommt auch Svenja, die sich mit dem finanziellen Rückhalt eines bürgerlichen Elternhauses und der Erwartung eines Erbes in Hospitanzen im Kulturbetrieb ausbeuten lässt und sich dank ihrer Absicherung ein erfolgloses Dasein als Hospizclown leisten kann. Hinter der Fassade von Svenja (Aysima Ergün) brodelt es, immer wieder bricht der „Don“ (Yanina Cerón) aus ihr heraus: diese innere Stimme ist mit allen Wassern des Chauvinismus und Rechtspopulismus gewaschen und poltert hemmungslos gegen alle, die vermeintlich unter Svenja stehen: gegen die „Assiprolls“ und die Extensions-Trägerinnen, mit besonderer Vorliebe gegen das migrantische Dienstleistungsprekariat von Helpling über Lieferando bis Uber, das in diesem Stück Aram (Amanda Babaei Vieira) verkörpert.

Das dankbarste Schauspielerinnen-Futter bekommt Cerón, die neben ihren Slapstick-Nummern gegen die „Unterschicht“ vom Leder ziehen darf. Weniger scharfe Konturen haben die drei anderen Figuren, blasser bleibt deshalb auch Babaei Vieira, einziger Gast unter den vier Spielerinnen, die im Volksbühnen-Überraschungshit „Sistas“ auffiel.

Sechs Jahre nach der Uraufführung inszeniert Abdel-Maksoud nicht selbst, sondern Gorki-Hausregisseur Nurkan Erpulat, wie die Autorin ein langjähriger Weggefährte von Intendantin Shermin Langhoff schon seit Ballhaus Naunynstraße-Zeiten vor knapp zwei Jahrzehnten. Auch in seiner Inszenierung zeigen sich die Stärken und Schwächen der Komödie, die schon beim Uraufführungs-Gastspiel deutlich wurden. „Café Populaire“ hat eine witzige Grundidee und ein paar schöne Punchlines, verliert sich aber zu oft in Kalauern und die zweite Hälfte zerfasert. An stärkere Texte der Autorin wie „Jeeps“ reicht es nicht heran.

Am Gorki ist aber nicht nur ein Aufguss der Klassismus-Farce zu sehen, sondern eine aktualisierte und ergänzte Neufassung, die den Titel „Café Populaire Royal“ trägt. Was ist neu an dieser Berliner Fassung? Zunächst zahlreiche Anspielungen auf Lokalkolorit, auf den Umbruch in Mitte, das seit Underground-Parties im Tacheles der 1990er Jahre kaum wiederzuerkennen ist, auf die Gentrifizierung im Schillerkiez, und auf Mariendorf, jwd am Ende der U6, als neuer Schauplatz der Zürcher Satire. Eine neue Background-Story bekommt Püppi (Çiğdem Teke), die hier eine Revoluzzerin mit Rollator und Rote Zelle Germanistik-Vergangenheit in der Rostlaube der FU Berlin ist. Als Running gag wird immer wieder eine fiktive 10. Klasse aus der Gropiusstadt im Publikum angesprochen. So weit, so amüsant.

Das Interessanteste an dieser Neufassung ist jedoch erst während der Proben hinzugefügt worden. Teke, die 2015 von den Münchner Kammerspielen kam und somit die erfahrenste Gorki-Protagonistin des Abends ist, tritt aus ihrer Rolle und zieht eine düster-wehmütige Bilanz des postmigrantischen Theaters. Senator Joe Chialo verkündete vergangene Woche die Nachfolge für Intendantin Shermin Langhoff, die 2026 nach 13 Jahren weichen soll. In einem Monolog voller Hamlet-Anspielungen spricht Teke über die Aufbruchseuphorie der frühen Jahre und die Ohnmacht angesichts des Rechtsrucks und der Remigrationspläne. Diese Minuten sind voller Wehmut und Abschiedsstimmung, sie reflektieren den gesellschaftlichen Gegenwind und die Stimmung im Ensemble. Schon für diesen Monolog lohnt sich der Besuch der ansonsten recht harmlosen Klassismus-Typenkomödie-Zweitverwertung, die dank der Ergänzungen und Aktualisierungen 20 Minuten länger ist als das Original.

Bild: ©Ute Langkafel MAIFOTO

 

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