Sweeney Todd

Sie ist eindeutig das Zentrum dieses schwarzhumorigen Abends: Dagmar Manzel wirbelt als verliebte Imbiss-Besitzerin Mrs. Lovett mit all ihrem schauspielerischen und komödiantischen Talent über die Bühne des Schillertheaters, der Interimspielstätte der Komischen Oper Berlin.

Ihre Figur hat auch den Einfall, der dem Steven Sondheim-Musical zum Ende des ersten Akts die entscheidende Wendung gibt: Wohin mit der Leiche?, grübelt der Barbier Sweeney Todd (gesungen und gespielt vom britischen Bassbariton Christopher Purves), als er dem ersten Widersacher die Kehle durchgeschnitten hat. In ihrer hemdsärmelig-pragmatischen Art, die so viele von Manzel verkörperte Charaktere auszeichnet, schlägt sie vor, die Leichen für ihre Fleischpasteten wiederzuverwerten. Eine Win-Win-Situation: ihr Barbier, den sie so gerne für sich erobern würde, wird die Leiche ohne Spuren los, und ihre Bude, die für die schlechtesten Pasteten in ganz London berüchtigt ist, floriert dank des neuen Geschmackserlebnisses frisch gebratener Kadaver.

Ein paar Sätze flicht Manzel in der ihr eigenen Berliner Schnauze auf Deutsch ein, ansonsten singt sie die dreistündige „schwarze Operette“, wie sie Sondheim selbst einmal nannte, auf Englisch wie im Broadway-Original von 1979.

Dass Dagmar Manzel, die ihre künstlerische Heimat früher am Deutschen Theater Berlin hatte und sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten zum Publikumsliebling der Komischen Oper entwickelte, mit ihrem komödiantischen Talent in einer Rolle brillieren kann, die ihr wie auf den Leib geschrieben scheint, ist keine Überraschung.

Überraschender ist da schon, wie Barrie Kosky, der langjährige Intendant, der dem Haus weiter mit regelmäßigen Inszenierungen verbunden ist, diesen Musical-Thriller inszeniert. Der Meister von Glamour und Glitzer nimmt sich ganz zurück. Die Bühne von Katrin Lea Tag wirkt für Kosky-Verhältnisse fast minimalistisch: unter dem viktorianischen Bogen ist es bis auf den Barbier-Stuhl und die Imbissbude, das Revier der beiden Protagonist*innen, ziemlich leer. Auch die Regiehandschrift von Kosky bleibt diesmal blass: ohne besondere Akzente folgt er dem Musical-Klassiker.

Umso stärker können Manzel und ihr Co-Hauptdarsteller Purves als die Stars an der Spitze eines überzeugenden Ensembles glänzen. Weniger erfreulich sind die Zukunftsaussichten für die Komische Oper: wie an diesem Wochenende durchsickerte, soll die Modernisierung des Stammhauses im Zuge der aktuellen Haushaltskürzungen gestoppt werden. Die Befürchtung der Intendanz, dass die Komische Oper damit einen schleichenden Tod auf Raten sterben könnte, dürfte leider durchaus realistisch sein.

Bild: Jan Windszus Photography

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