Von drei Frauen und ihrem prekären Leben im Moloch Mumbai erzählt die indische Regisseurin Payal Kapadia in ihrem Spielfilm „All we imagine as light“. Meist ist es Nacht, meist prasselt der Monsunregen und wenig Hoffnung lässt schon das Intro. Aus dem Off kommen Stimmen, die über das harte, hektische Leben in dieser 20 Millionen-Mega-City klagen. Hier ist deutlich zu spüren, dass Kapadia vom Dokumentarfim kommt: „A Night of Knowing Nothing“ lief 2021 in Cannes in der Nebenreihe Quinzaine des cinéastes und erzählte von einer unglücklichen Liebe, die von den Eltern als nicht standesgemäß/gegen die Kastenschranken verstoßend verboten wurde.

Dasselbe Thema steht auch im Zentrum von Kapadias Debüt-Spielfilm „All we imagine as light“, der drei Jahre später im Mai 2024 nicht nur im Cannes-Wettbewerb lief, sondern auch den Großen Preis der Jury gewann. Anu (Divya Prabha) ist eine junge Krankenschwester und in den Muslim Shiaz (Hridhu Haroon) verknallt. Ihr Vater, der auf dem Land lebt, ist weiter den Traditionen verhaftet und würde dieser Beziehung niemals zustimmen. Er schickt ihr stattdessen regelmäßig Bilder von Hindu-Kandidaten für eine von ihm arrangierte Ehe. Die beiden weiteren Protagonistinnen eines Frauen-Netzwerks, das sich gegenseitig stützt, sind Prabha (Kani Kusruti), eine ältere Krankenschwester, die sich mütterlich um die jüngere Kollegin und Mitbewohnerin sorgt und sich dagegen sperrt, eine neue Beziehung einzugehen, nachdem ihr Mann sie verlassen hat. Die Dritte im Bunde ist Parvaty (Chhaya Kadam), die für die Schwestern kocht und ihre Wohnung verliert, da ein Immobilienmogul das Haus abreißen und durch ein Hochhaus ersetzen lässt.

In sehr langsamem Tempo, das viel Geduld erfordert, erzählt Kapadaia still und unaufgeregt von den Alltagssorgen der Frauen und den politischen Rahmenbedingungen einer Gesellschaft zwischen Tradition, Nationalismus und Moderne, die ihnen diesen Alltag noch schwerer macht. Hoffnungsvoller wird erst der zweite Teil, als sich das Trio auf den Weg in ein Fischerdorf, die Heimat von Parvaty, macht.

„All we imagine as light“ ist als ruhig fließendes Arthousekino der Gegenentwurf zu den kommerziellen, rauschhaften Bollywood-Produktionen, die wohl jeder zunächst im Kopf hat, wenn er an indisches Kino denkt. Mit den vielen politischen Anspielungen passt Kapadias Film sehr gut ins Portfolio des Festivals Around the World in 14 films in der Kulturbrauerei, wo er an prominenter Stelle am Eröffnungswochenende laufen wird. Davor war „All we imagine as light“ bereits als Deutschlandpremiere beim Filmfest München sowie bei der Filmkunstmesse Leipzig, der Viennale und dem Internationalen Filmfestival Mannheim-Heidelberg zu sehen. Der Kinostart folgt bereits am 19. Dezember 2024 kurz vor Weihnachten.

Bilder: © Condor Distribution, Rapid Eye Movies

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