Einen Coup landete Thomas Ostermeier zu Beginn der Spielzeit: Jörg Hartmann und Anna Schudt, dem TV-Publikum bestens bekannt aus zehn gemeinsamen Jahren im Dortmunder „Tatort“ (2012-2022) verstärken sein Promi-Ensemble. Hartmann hat ohnehin eine On-Off-Beziehung mit dem Haus, wechselte immer wieder zwischen Fest-Engagement und TV-Schwerpunkt, wie Schudt war er zu Beginn seiner Karriere Ende der 1990er bereits von Ostermeiers Vorgängerin Andrea Breth am Lehniner Platz engagiert.
Ihr gemeinsames Comeback hatten sie am ersten Adventswochenende in „changes“, dem nächsten Stück, das Ostermeiers Chefdramaturgin Maja Zade in sehr hoher Frequenz veröffentlicht und der Chef nun selbst inszenierte. Auf Magda Willis spartanisch eingerichteter Bühne, die nur aus Tisch, Plastikstühlen, Couch, Waschbecken und als wichtigstem Requisit einem Kleiderständer für die häufig wechselnden Rollen vom Kleinkind über die Friseurin bis zum Elefanten besteht, zelebrieren die beiden TV-Stars den Schaubühnen-Realismus, das Markenzeichen des Hauses.
Einen Tag lang begleiten wir die Politikerin Nina, die sich vor allem für ein Frauenhaus engagiert, und den Lehrer Mark, der seinen Job als Wirtschaftsanwalt an den Nagel hängte, um Gutes zu tun, durch die Mühen ihres Alltags. Der Plot des knapp zweistündigen ist dabei so überfrachtet mit Not und Elend, wie es kein Fernsehfilm der Woche gewagt hätte: Fehlgeburt, Mobbing, Alkoholismus, Leukämie, natürlich Gewalt gegen Frauen, alles wird hier in Miniaturen aneinandergereiht. Für kein Schicksal bleiben mehr als wenige Minuten, die Figuren bekommen kaum Konturen, bis sich Nina nach einem merkwürdigen Auftritt bei einer Markus Lanz-Parodie und Mark beim Lamm wieder zuhause treffen. Die Ehe steht nach Vertrauensbruch und Verrat vor dem Aus, doch das Paar entscheidet sich für Netflix und Schokoküchlein.
In den Applaus für die TV-Lieblinge, die der Schaubühne ein volles Haus auch für die Vorstellungen in den kommenden Wochen garantieren, mischen sich Buhs für den regieführenden Intendanten und die Dramaturgin/Autorin.
Bild: Arno Declair