juice

Eine große Glasvitrine wurde ins Zentrum des Roten Salons gestellt. Am Boden liegt River Roux, nonbinär, dem Berliner Publikum bereits aus der „Merry Stripmas“-Show bekannt, die René Pollesch in den vergangenen Jahren regelmäßig zum Jahreswechsel auf die große Bühne einlud.

Der Schaukasten ist fast komplett von Stuhlreihen eingekreist. Wie eine Zirkusattraktion ist Roux ausgestellt: „Die neunzehnjährige Mademoiselle Lefort wird als <unwiderstehliche Attraktion und vollkommene Vermischung der Geschlechter> zum ersten Mal in England der Öffentlichkeit präsentiert. Weibliche Schönheit soll in ihr ebenso zu erkennen sein wie Schnurrbart und Barthaare“, erklärt der Ankündigungstext. Doch die Interaktion von Sehen und Gesehenwerden ist komplexer. River Roux balanciert in der englischsprachigen Solo-Performance, die nur etwas mehr als eine Stunde dauert, auf dem Grat dieser Themen: einerseits schildert „juice“, dass die Körper von Menschen, die nicht klar einer binären Geschlechterordnung aus männlich/weiblich zuzuordnen sind, ständigen Inspektionen und Zurichtungen unterworfen sind. Dass dieser medizinisch-juristische Blick oft auch sexualisiert sein kann, erklärt River Roux in einer markanten Sequenz: der Gynstuhl und die übergestreiften Handschihe, mit denen die Geschlechtsteile untersucht werden, sind längst auch Teil von BDSM-Rollenspiel-Phantasien und gehören zur Ausstattung vieler Bordelle. Andererseits macht aber Roux auch die Lust am Sich-Zeigen, das Spiel mit den Begierden des Publikums zum Thema. Der Schaukasten ist nicht nur Museumsvitrine, in der River Roux als Objekt ausgeliefert ist, sondern auch Bühne für eine performative Installation, in der die nonbinäre Person sich selbstbestimmt zeigt und das Publikum herausfordert. Aus einem Strap-On schleudert River Roux Unmengen an Schleim gegen die Glaswände.

Die Live-Performance wird immer wieder von Stimmen aus dem Off begleitet und ist von kleinen choreographischen Einlagen durchsetzt. Das Erzählprinzip sind Reflexionsschleifen, die durch unterschiedliche Triggerpunkte ausgelöst sind, und von River Roux mit ruhiger Stimme vorgetragen werden.

Die Theaterinstallation „juice“ wurde vom Theaterschiff Heilbronn und der Volksbühne am Rosa Luxemburg-Platz koproduziert und ist an beiden Häusern weiterhin im Lauf der Spielzeit zu sehen.

Bilder: Fotonoid

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