Dieser Film stehe quer zu den üblichen Sehgewohnheiten, warnten 14films-Festivaldirektor Bernhard Karl, der sich erneut zu seiner Begeisterung für Regisseur Jia Zhangke bekannte, und Frédéric Jaeger, der als Pate in „Caught by tides“ einführte.
Wie berechtigt diese Warnung war, bestätigten die knapp zwei Kino-Stunden. Der neue Film des chinesischen Regisseurs lässt sich nur schwer in ein Genre einordnen. Er ist Musical und Zeitgeschichtspanorama, verbindet Aufnahmen aus dem privaten Archiv von Jia Zhangke mit neuen Sequenzen und macht sich vor allem einen Spaß daraus, die Grenzen zwischen Dokumentarischem und Fiktivem verschwimmen zu lassen.
Ein paar eingeblendete Jahreszahlen und die Bilder markanter Orte wie des Drei-Schluchten-Staudammes als zenralem Projekt der chinesischen Turbomodernisierung gehören zu den wenigen Anker- und Orientierungspunkten, die der Regisseur seinem Publikum gönnt. Sehr schlaglichtartig und fragmentarisch erzählt er von den rasanten Entwicklungen der vergangenen drei Jahrzehnte, am markantesten gelingt die Schilderung der Einschränkungen der Pandemie-Zeit.
In dem sehr starken Cannes-Wettbewerbs-Jahrgang im Mai 2024 ging „Caught by the Tides“ leer aus. Zu selbstreferenziell ist der Film angelegt, als Rückschau auf das eigene Werk und Collage von früher verwendeten Motiven. So wird der Film ein Insider-Tipp für Kenner und Fans des Regisseurs sowie für Menschen mit sehr ausgeprägtem Interesse für die Umwälzungen in China.
Nach der Premiere lief „Caught by the Tides“ auf vielen weiteren Festivals wie in Jerusalem, London, München, New York, Toronto, Wien. Heute Abend wurde es im Rahmen einer „Chinese Night“ bei „Around the World of 14 films“ im Doppelpack mit dem Cannes-Überraschungshit „Black Dog“ präsentiert, der wesentlich zugänglicher ist und im Mai 2024 den Hauptpreis der Sektion Un certain regard gewann.
Der Kinostart von „Caught by the tides“ ist für 10. April 2025 geplant.
Bild: X Stream Pictures