Der Schnittchenkauf

Sehr vertraut sind der Sound, die Ästhetik und die Themen dieses Abends: Kathrin Angerer nölt divenhaft Bette Davis-Zitate, Franz Beil stottert durch die philosophischen Fragmente, Martin Wuttke qualmt eine Zigarette nach der nächsten und Milan Peschel grinst schelmisch mit großen Augen. Die bekannten Volksbühnen-Stars aus der Pollesch-Familie spielen sich munter die Bälle zu und witzeln über die „Vierte Wand“, während sie meist nur via Live-Kamera-Projektion von der Hinterbühne zu erleben sind. Einen frischen Ton bringt Rosa Lembeck in den Abend, die Jüngste im Quintett, die mit Polleschs Intendanz 2021 ans Haus kam: sehnsuchtsvoll und elegisch seufzt sie über die Liebe und Beziehungsprobleme, ein weiteres Lieblings-Terrain von Pollesch, das diesmal jedoch in den Hintergrund tritt.

„Der Schnittchenkauf“ basiert auf einer Essay-Sammlung, die René Pollesch schon 2011 veröffentlichte und ist zweierlei: Zum einen ein Nostalgie-Bad für alle Fans des vor zehn Monaten überraschend verstorbenen Dramatikers und Intendanten, an dem viele bekannte Stilmittel und Versatzstücke, die sein Werk prägten, ein vielleicht letztes Mal zu erleben sind. Zum anderen eine Comedy für Theaterwissenschaftler und Betriebs-Insider, die vom Premierenpublikum kichernd begleitet und vom erstaunlich jungen Publikum fast euphorisch gefeiert wurde: Eine „letzte Party“ titelte die SZ über Peter Laudenbachs Kritik.

Wie geschmiert läuft diese Pollesch-Hommage im Retro-Stil auch ohne den verstorbenen Spiritus Rector. Die langjährigen Vertrauten, die stets eng an den gemeinsamen Arbeiten beteiligt waren, haben Stil und Inhalt so verinnerlicht, dass man gar nicht bemerken würde, dass der Regisseur diesmal fehlt, wenn man es nicht wüsste.

„Der Schnittchenkauf“ hatte am 12. Dezember 2024 in der Volksbühne am Rosa Luxemburg-Platz Premiere.

Bilder: Apollonia T. Bitzan

 

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