Recht zäh war der Berlinale-Einstand des Norwegers Dag Johan Haugerud. „Sex“ war im vergangenen Jahr im Panorama eingeladen und schleppte sich als dialoglastiges Beziehungsdrama über die Eheprobleme eines Schornsteinfegers nach einem schwulen One Night Stand dahin.
Ein Jahr später kehrt er mit „Dreams“ zurück: diese Coming of Age-Tragikomödie kam bereits im Oktober 2024 in Norwegen heraus und feierte heute ihre internationale Premiere im Berlinale-Wettbewerb. Dieser Film ist zugleich Abschluss einer Haugerud-Trilogie, deren Mittelteil „Love“ im vergangenen September im Wettbewerb von Venedig lief.
„Dreams“ erzählt aus der Perspektive der Teenagerin Johanne (Ella Øverbye), die sich in ihre Lehrerin Johanna (Selome Emnetu) verknallt. Geschickt balanciert Haugeruds Erzählweise zwischen Witz und Tiefgang. Typisch für frisch verliebte Teenager ist, dass die Hauptfigur über jedes Wort und jede Geste der Angebeteten grübelt und immer fester davon überzeugt ist, dass die Lehrerin die Gefühle erwidert.
Sie sucht die Nähe, besucht die Lehrerin regelmäßig zum Stricken und schreibt die Erfahrungen nach einer rüden Abfuhr nieder. Offen bleibt, wie weit es bei den Besuchen der Schülerin mit der Lehrerin ging, was Realität und Fiktion ist.
So wird der Text, den Johanne über ihre Amour fou schrieb, zu einer Projektionsfläche für die ersten Leserinnen. Zunächst vertraut Johanne sich und ihren Text nur der Oma (Anne Marit Jacobsen) an, einer sexpositiven Alt-68erin, die über ihre Vorstellung von Gott als einem großen, blonden Schweden sinniert, der breitbeinig an der Spitze der Himmelsleiter auf sie wartet. Reservierter reagiert die Mutter (Ane Dahl Torp), die zunächst entsetzt zurückweicht, dann aber das Verkaufspotenzial einer queeren Coming of Age-Geschichte wittert.Eindeutig die positivste Figur ist die Teenagerin, die recht abgeklärt mit diesem pubertären Entwicklungsschritt umgeht, während Mutter, Großmutter und vor allem Lehrerin mehr mit sich zu kämpfen haben.
Die norwegische Coming of Age-Tragikomödie „Dreams“ ist eine weitere positive Überraschung in diesem Berlinale-Wettbewerb. Dieses Highligt der Berlinale wurde auch mit dem FIPRESCI-Preis und dem Goldenen Bären ausgezeichnet.
Bild: Motlys