Donald Trump zerschlägt zum Start in die zweite Amtszeit die Weltordnung, die AfD erklimmt Rekordhöhen von 20 % bei der Bundestagswahl. Alice Hasters reflektierte in ihrem Vortrag die Schockstarre und Sprachlosigkeit, dachte aber auch über Auswege nach. Während sich Steve Bannon und Elon Musk in tiefer Feindschaft verbunden sind, aber dennoch an einem Strang ziehen, wenn es um das gemeinsame Ziel der Rechtsverschiebung des gesellschaftlichen Diskurses geht, scheinen die progressiven Kräfte zersplittert und nicht handlungsfähig.
Wie könnte ein gemeinsames Projekt aussehen, das mehrheitsfähig wäre und hinter dem sich Progressive versammeln könnten, und das nicht in identitätspolitische Sackgassen führt? Die Kolumnistin und PoC-Aktivisten Hasters thematisierte auch ihr Unbehagen darüber, dass sie mit dem Genderstern viele von denen abschreckt, die sie für ein zukunftsweisendes Projekt bräuchte.
Zuvor hielt Jeffrey Goldberg, aus New York angereister Chefredakteur von The Atlantic, eine launig-anekdotische Rede und übte sich im Zweckoptimismus, dass jede politische Aktion des Trump-Lagers früher oder später auch eine Gegenbewegung auslösen wird. Gesundbeten oder begründete Hoffnung auf die Selbstheilungskräfte der US-amerikanischen Demokratie?

Eröffnung Reflexe&Reflexionen 2025
Diese Fragen konnten leider auf dem Panel, das vom Kuratoren-Paar Saaba-Nur Cheema/Meron Mendel geleitet wurde, nicht mehr vertieft werden. Zu viel Zeit nahmen die Eröffnungs-Reden von Berliner Festspiele-Intendant Matthias Pees, der weitschweifig über Schelling/Hegel/Hölderlin sprach, und Claudia Roths Vertretung in Anspruch.
Nach diversen kleineren Gesprächs-Formaten stand am zweiten Abend des „Reflexe und Reflexionen – Zur Zukunft der Streitkultur“-Festivals die neue Choreographie „Freedom Sonata“ von Emanuel Gat an, der regelmäßig in Berlin gastiert. In den 80 Minuten lässt er Ludwig van Beethovens Klaviersonate Nr. 32 in c-Moll auf das Album „The Life of Pablo“ (2016) des US-amerikanischen Rappers und Modedesigners Kanye West prallen, der mehrfach mit sexistischen Auftritten provozierte. Aus dem Zusammenstoß der Musikstile aus verschiedenen Jahrhunderten entwickelt sich nicht die erhoffte Reibung. Gat lässt sein Ensemble elegant kreisen und rotieren. Gedacht ist der Abend, der im vergangenen Sommer in Marseille Premiere hatte und sich ständig wandelt, als ein Nachdenken über Freiheit und Variation als Ausbrüche aus einem Grundgerüst. Ohne Lektüre des Programmhefts und die kurzfristig abgesagten Einführungen übertrug sich davon jedoch wenig. Am heutigen Schlusstag des kurzen Festivals ist die „Freedom Sonata“ noch mal zu sehen.
Bis Mitternacht gab es gestern noch Comedy: als Vorprogramm wurde Max Uthoff, Co-Gastgeber des ZDF-Formats „Die Anstalt“, gewonnen, der übliche Gags der Politcomedy wie das Food-Blogging von Markus Söder kurz anriss und abhakte. Dann gehörte die Bühne der Stand-up-Comedienne Enissa Amani, die sich hauptsächlich daran abarbeitete, dass das Publikum im Wilmersdorfer Festspielhaus wesentlich älter ist als die Teenies und Twens, die die Influencerin sonst anspricht, und dass das deutsche Publikum nicht so spontan und interaktiv sei wie in New York. Der anschließende Talk, den Cheema/Mendel moderierten, zerfaserte. In Erinnerung blieb vor allem die Kritik der Panelists am Dauer-Alarmismus von Markus Lanz, der rechtspopulistische Narrative bediene und ständig darauf beharre, dass nun endlich etwas geschehen müsse.
Nach dem anregenden Eröffnungsabend ging die 2. Ausgabe des „Reflexe und Reflexionen“-Festivals etwas zu disparat weiter.
Bilder: Fabian Schellhorn