In seinem beklemmenden Politdrama „Ainda estou aqui“ (deutscher Titel: „Für immer hier“) erzählt Walter Salles von der Brutalität der brasilianischen Militärdiktatur beispielhaft am Fall der Familie Paiva. 1971 wurde der ehemalige Abgeordnete Rubens Paiva (Selton Mello) von Schergen der Junta zuhause abgeholt und zum Verhör mitgenommen. Sein Verbleib war lange ungewiss. Menschen einfach verschwinden zu lassen, die sogenannten Desaparecidos, war ein beliebtes Mittel in den lateinamerikanischen Diktaturen der damaligen Zeit. Erst Jahrzehnte später hatte die Familie Gewissheit: Paiva wurde gefoltert und bereits einen Tag nach der Verhaftung ermordet.
Salles zeigt in beeindruckender Präzision, wie die wohlhabende Familie des Salonlinken ihr Leben in ihrem schönen Haus in Strandnähe in Rio de Janeiro genießt und unbeschwert feiert, während im Hintergrund Panzer rollen und Freunde ins Exil gehen. Die Lage verdüstert sich, als nicht nur Rubens Paiva, sondern auch seine Frau Eunice (Fernanda Torres) und eine der Töchter verhaftet und verhört werden. Beide kommen wieder frei. Aber für Eunice ist es ein tiefer Einschnitt: aus einer unpolitischen Frau, die sich um die Familie kümmert, wird eine mutige Anwältin, die mit Ende 40 ihren Uni-Abschluss nachholt und sich für Menschenrechte einsetzt. Von den kleineren Kindern, darunter Marcelo, auf dessen Erinnerungen der Spielfilm basiert, hält sie die Schrecken des Terrorregimes weiterhin so weit wie möglich fern.
In den ersten zwei Dritteln ist „Für immer hier“ sehenswertes Polit-Kino. Kein großer, aber ein wichtiger Film, brachte es Katrin Doerksen in der Perlentaucher-Kolumne auf den Punkt. Im letzten Drittel schreibt Salles, der als Kind öfter bei Familie Paiva zu Gast war, die Geschichte mit mehreren hektischen Zeitsprüngen fort, allzu plakativ gerät dieser Schluss.
Dennoch wurde „Für immer hier“ mit Preisen überhäuft: bei der Premiere in Venedig im September 2024 gab es einen Silbernen Löwen für das Drehbuch von Murilo Hauser und Heitor Lorega. Es folgten nach diversen Preisen auf kleineren Festivals wie Miami, Santa Barbara, Vancouver, Rotterdam oder Sao Paulo der Golden Globe für Fernanda Torres als beste Hauptdarstellerin in einem Drama sowie der Oscar für den besten internationalen Film. Nominiert war „Für immer hier“ außerdem als bester Film und erneut Torres als beste Hauptdarstellerin.
Am 13. März 2025 startete „Für immer hier“ in den deutschen Kinos.
Bild: © Alile Onawale, VideoFilms, DCM