Am „Theater des Jahres“, dem Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, muss es pro Spielzeit einen Abend geben, der dem Publikumsliebling gehört. Einen Abend von, für und mit Lina Beckmann!
Nach ihrem zum Festival-Hit hochgejubelten „Laios“-Monolog aus der Anthropolis-Trilogie tritt Beckmann zwar wieder in einem Ensemble-Stück auf. Die 2 Stunden 20 Minuten sind jedoch ganz auf sie zugeschnitten: ihre Erzählerinnen-Figur Lise aus Tove Ditlevsens letztem, kurz vor ihrem Suizid geschriebenem Roman „Wilhelms Zimmer“ steht im Zentrum, der Rest des meist männlichen Ensembles mimt Witzfiguren oder Klischees.
Karin Henkels Inszenierung hat mit einem für Roman-Adaptionen typischen Problem zu kämpfen: trotz aller Comedy-Versuche und obwohl Beckmann zwischendurch auch in kleine Nebenrollen schlüpfen darf, gerät der Versuch, die gewaltigen Textmassen zu reproduzieren, sehr statisch. Auch einige Kürzungen hätten dem pausenlosen Abend gut getan. In ihrer charmant-rotzigen Art nimmt Beckmann diese Einwände gleich vorweg und murmelt kurz vor Schluss, dass das Ganze nun doch ziemlich lang geraten sei, sie bald nach Hause wolle und höchstens noch ein bisschen vor dem Fernseher sitzen werde.
Ein kleiner Höhepunkt ist der Auftritt der Mädchen, die unter Leitung von Liina Magnea tanzen. Lina Beckmann mischt sich darunter, überragt die Kinder um mehrere Köpfe, imitiert ihre Bewegungen betont ungelenk. Solche kleinen Einlagen werden dankbar beklatscht, aber sind nur kleine Atempausen in einer langen Schilderung eines unglücklichen Lebens voller toxischer Beziehungen.
Die dänische Schriftstellerin Tove Ditlevsen, die sich 1976 das Leben nahm, wird auf dem Buchmarkt derzeit wiederentdeckt und auch von großen Bühnen adaptiert. „Wilhelms Zimmer“ (1975) wurde von Ursel Allenstein 2024 für den Aufbau Verlag neu übersetzt. Ihre noch bekanntere „Kopenhagen-Trilogie“ wurde bereits 2023 von Elsa-Sophie Jach fürs Münchner Residenztheater adaptiert.
„Die Abweichlerin“ ist seit 12. März 2025 im Repertoire des Deutschen Schauspielhaus Hamburg.
Bilder: Lalo Jodlbauer