Fabian Gerhardt straffte den Eifersuchts-Klassiker „Othello“ auf 90 Minuten und verteilte alle Rollen auf vier Schauspieler. Er drückt zwar gehörig aufs Tempo, aber das Grundgerüst von Shakespeares Original ist noch klar erkennbar: eine schweißtreibende Angelegenheit für die vier Absolventen der Universität der Künste (UdK).
Im Mittelpunkt stehen Othello, den Jochen Weichenthal als tapsiges, gutmütiges Riesenbaby anlegt, und seine Desdemona, die von der Mexikanerin Elena Manzö in einem Sprachen-Mix aus Deutsch und Spanisch und im fortgeschrittenen Schwangerschaftsstadium gespielt wird.
Fabian Raabe versprüht als Jago sein intrigantes Gift, schlüpft aber im nächsten Moment in die Rolle der Kurtisane Bianca, die sich im Abendkleid auf Männerfang begibt. Die meisten Rollenwechsel legt Anton Weil aufs Parkett: er glänzt als schnippisch-stolze Emilia, die sich von ihrem Mann Jago vernachlässigt fühlt. Außerdem spielt er den naiven Rodrigo, der in jede Falle tappt, und den alkoholisierten Cassio.
Auf der Webseite des Theaterdiscounters ist davon die Rede, dass die Überkreuzbesetzung, in der sich vieles zuspitzt und kommentiert, die Konstruiertheit gesellschaftlicher Rollen thematisiere. In der Praxis spielt dieses Regiekonzept keine große Rolle und wird wohl den wenigsten Zuschauern auffallen. Der „Othello“-Abend mit dem Untertitel „I know I´m not the only one“ funktioniert auch so: als unterhaltsame Klassiker-Bearbeitung mit vier Nachwuchs-Talenten, die ihr Können zeigen dürfen. Das Quartett hatte mit der Shakespeare-Vorlage wesentlich mehr Glück als ihre Kommilitonen, die sich ebenfalls unter der Regie von Fabian Gerhardt zum Auftakt der Autorentheatertage 2015 in der Box des Deutschen Theaters durch den recht belanglosen Text „Szenen der Freiheit“ über neurotische Mittzwanziger hangelten.
Bilder: Lea Mugnaini
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