Wir wollen endlich frei sein, haucht Kathleen Morgeneyer als Linda Loman mehrfach beschwörend in die Dunkelheit. Natürlich vergeblich. Denn das Schicksal der Familie Loman ist längst besiegelt.
Ihr Mann Willy (Oliver Kraushaar) hat sich das Leben genommen, da seine letzten Illusionen und Lebenslügen zerplatzt sind. Er macht immer weniger Umsatz, versucht sich dies schönzureden und wird schließlich entlassen. Als letzten Strohhalm hofft er auf die Karriere der beiden Söhne Biff (Max Gindorff) und Happy (Jannik Mühlenweg), die jedoch ebenfalls nur von Misserfolg zu Misserfolg straucheln.
Der junge Regisseur Max Lindemann eröffnete die Spielzeit am Berliner Ensemble mit seiner mittlerweile fünften Inszenierung. Im Neuen Haus bringt er den Arthur Miller-Klassiker „Death of a Salesmann“ von 1949 als präzise und realistisch inszeniertes Kammerspiel zur Aufführunge.
Aus dem Ensemble stechen vor allem Morgeneyer als trauerumflort-zerbrechliche Mutter, die den Untergang nicht aufhalten kann und zum Auftakt ihres zweiten Jahres am BE erstmals eine Rolle bekommt, die zu ihren vom benachbarten DT bekannten Stärken passt, und Gindorff als älterer Sohn hervor: sein Biff trägt die ganze Last der Erwartungen seines aufbrausenden Vaters auf seinen muskulösen Schultern und muss ihm beim Hummer-Abendessen die nächste Niederlage eingestehen.
Das Ensemble ergänzen Martin Rentzsch in diversen kleineren Rollen als Chef und Onkel sowie Jannik Mühlenweg, der nach mehreren Jahren in Stuttgart und freiberuflicher Arbeit seinen Einstand als Ensemble-Mitglied in Berlin gab.
Lindemanns „Tod eines Handlungsreisenden“ ist eine schörkellose Inszenierung eines modernen Klassikers, die beim überwiegend älteren Publikum gut ankam. In Berlin war dieser Abgesang auf den „American dream“, der zum Kanon des ausgehenden 20. Jahrhunderts zählt, zuletzt 2017 am DT in Bastian Krafts Inszenierung zu sehen, die stark auf Uli Matthes zugeschnitten war. Nach der Traditionspflege auf der kleineren Bühne zum Saison-Auftakt mit einigen arrivierten Kräften aus dem Ensemble meldet sich am Wochenende Frank Castorf mit seiner ersten Berliner Inszenierung seit drei Jahren zurück, dafür hat ihm Intendant Oliver Reese ein überraschend junges Ensemble an die Seite gestellt.
Bilder: Jörg Brüggemann