Alles! Muss! Raus! Sebastian Bark, der einzige Mann im She She Pop-Kollektiv, macht den Anfang und verschleudert die Säule im mehr als ein Jahrhundert alten Hebbel-Theater, das heute unter dem Namen HAU 1 firmiert, für 4,99 €. Egal, ob die Stützkonstruktion des Jugendstiltheaters dann noch trägt: in Zeiten von Krise und Spardruck ist ohnehin schon alles egal.
Munter geht die Verkaufsshow weiter: Ilia Papatheodorou verkauft ihre „Echtheit“ und streckt dem Publikum auch noch ihren nackten Po entgegen. Mieke Matzke und Lisa Lucassen haben den „roten Faden“ anzubieten und auch bei der „eigenen Meinung“ schlägt eine Zuschauerin zu.
Zum Einheits-Tiefpreis von nur 4,99 € gehen alle Werte über die Bühnenrampe: egal ob symbolische Gegenstände oder ganz Handfestes, im Konsumrausch hat die Gesellschaft den Blick fürs Wesentliche verloren und das Theater, insbesondere die Freie Szene, gerät in den Spardebatten unter die Räder. Die drohenden Einschnitte im Haushalt des Bundes für das Bündnis Freier Produktionshäuser, dessen Etat auf 0 € heruntergekürzt werden soll, und im Landeshaushalt für Berlin, in dem 10 % weniger für Kultur ausgegeben werden soll, sind der offensichtliche Hintergrund dieser sarkastischen Ausverkaufs-Show, aus der die erste Hälfte des „Bullshit“-Abends von She She Pop besteht.
Einen Ohrwurm gibt es noch gratis dazu: Der melancholisch-schöne Leonard Cohen-Hit „Everybody knows“ wird leitmotivisch angestimmt und das Publikum zum Mitsingen animiert. Dramaturgisch wird die zweite Hälfte des weniger als 90 Minuten kurzen Abends dann doch recht dünn. Hinter Tiermasken verschwindet das Quartett und tanzt durch das von Stroboskop-Blitzen aufgehellte Halbdunkel. Das ist zwar hübsch anzusehen, hat aber kaum noch einen erkennbaren Bezug zu den Ausgangs-Ideen des Abends. „Ironisch-esoterisch“ wirkt diese zweite Hälfte der Performance, wie Tobi Müller im Fazit-Radio-Interview anmerkte, in der She She Pop um die Frage mäandern, wie ein Theater und ein menschliches Zusammenleben nach dem Nullpunkt des Ausverkaufs aussehen könnten.
In Berlin ist „Bullshit“ noch bis Sonntag, 3. November, zu sehen und wandert dann weiter zu den zahlreichen Koproduktionspartnern: Kampnagel Hamburg, Künstler*innenhaus Mousonturm, FFT Düsseldorf, Residenz Schauspiel Leipzig, HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste.
Bild: Benjamin Krieg