Eine Verengung auf nur eine Zielgruppe kann man der Volksbühne wahrlich nicht vorwerfen: vor vier Wovchen bejubelte die Generation Instagram und TikTok die feministische Farce „Weiße Witwe„, die Kurdwin Ayoub um eine Gast-Rapperin herumbaute, während die Feuilletons recht einhellig die Köpfe schüttelten.
Vier Wochen später gab es eine Nostalgie-Reise in glanzvolle Jahre der Castorf-Ära, als die Social Media-Girlies meist noch gar nicht geboren waren. Der Anteil der Silberlocken war ebenso hoch wie die Prominenz der Schauspieler*innen aus anderen Ensembles, so rappelvoll war das Foyer lange nicht.
Christoph Marthaler, eine der Regie-Größen der Castorf-Jahre, der schon in den 1990ern und 2000ern für ein volles Haus am Rosa Luxemburg-Platz sorgte, feierte seine Rückkehr. Sein letzter Abend „Bekannte Gefühle, gemischte Gesichter“ liegt schon fast ein Jahrzehnt zurück.
Auch „Wachs oder Wirklichkeit“ trägt die typische Marthaler-Handschrift: die 100 Minuten sind eine Aneinanderreihung skurriler Miniaturen und spleeniger Typen mit einigen Loops und musikalischen Einlagen. Viele Vertraute aus der Marthaler-Familie sind dabei, darunter auch wieder Volksbühnen-Urgestein Hildegard Alex, die zu DDR-Zeiten am Rosa Luxemburg-Platz engagiert war, verstärkt von Franz Beil und Rosa Lembeck aus dem aktuellen Ensemble, aber leider ohne die während der Proben erkrankte Sophie Rois.
Clemens Sienknecht gibt wieder mal den musikalischen Zeremonienmeister, setzt x-fach zu „Rhythm“ am Klavier an, Herrin im Haus ist aber Hildegard Alex, die als Queen Elizabeth II.-Double über ein Wachsfigurenkabinett auf Anna Viebrocks Bühne herrscht. Zwischen den Marthaler-Spieler*innen stehen die Abbilder vieler Showbusiness-Promis wie Heino, Karl Lagerfeld oder Horst Lichter herum.
Zwischendurch muss Alex alias Queen Elizabeth resolut abstauben, dennoch wirkt die nostalgische Zeitreise etwas angestaubt. Zu unverbunden stehen die Miniaturen und Texte von Jürg Lüderach nebeneinander, das Ensemble kehrt leitmotivisch immer wieder zu seinem Stück „Hitler in Pankow South“ zurück, das vor dem runterfahrenden Eisernen Vorhang als szenische Lesung gegeben wird. Zum Einstieg in die Gedankenwelt von Lüderach sind auf dem Programmzettel Auszüge einer Laudatio von Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller abgedruckt, die sie auf den Schweizer Kollegen hielt.
Bilder: Matthias Horn
Dorothee Müller
Bin hocherfreut und erwartungsvoll hingegangen leider einmal kurz eingeschlafen und vergeblich auf die sonst üblichen und unvergleichlichen Highlights gewartet, schade!