Selten wurden Publikums-Nachgespräche so gekonnt parodiert wie in der Rahmenhandlung von Milo Raus „Medea´s Kinderen“. Peter Seynaeve sitzt mit sieben Kindern (zwischen Grundschulalter und beginnender Pubertät) auf Klappstühlen und spricht mit ihnen über den Abend, der vermeintlich gerade stattgefunden hat. Der Nachwuchs redet herrlich altklug daher, typische Floskeln und Muster eines Publikumsgesprächs werdeb durch den Kakao gezogen.
Auf der Meta-Ebene, aber bei weitem nicht so unterhaltsam geht es im Mittelteil der 90minütigen Koproduktion von NT Gent und Wiener Festwochen weiter. Der Medea-Mythos wird mit einem realen Mordfall in Belgien verschnitten, bei dem eine Frau ihre fünf Kinder ermordete. Dieser Mittelteil wird mittels vorproduziertem Video und Re-Enactment auf der Bühne recht schleppend erzählt und stellt seine verschachtelte Struktur allzu demonstrativ aus.
Im letzten Drittel setzt Jade Versluys als doppelte mörderische Mutter in einer hyperrealistischen Splatter-Kunstblut-Orgie zu einem brutalen Gemetzel an. Die Kinder werden erdrosselt und abgestochen, sie röcheln, strampeln, schreien, das Kunstblut spritzt, Kehlen werden so realitätsnah in Großaufnahme durchgeschnitten, dass es am Freitag bei der Berlin-Premiere zum FIND-Auftakt zu denkwürdigen Szenen kam, wie sie die Schaubühne am Lehniner Platz sicher lange nicht mehr und vielleicht noch nie erlebt hat: Janis ElBira schilderte in seinem Nachtkritik-Spiralblog in allen Details, wie Zuschauer in Ohnmacht fielen und sich übergaben.
Was ist diese Splatter-Szene mehr als pure Provokation um der Provokation willen? Bei der dritten und letzten FIND-Gastspiel-Vorstellung blieben besondere Vorkommnisse aus: kaum jemand verließ den Saal, ganz zu schweigen von medizinischen Notfällen, stattdessen langer Applaus mit vereinzelten standing ovations.
Bilder: © Michiel Devijver