Mit einer niederschmetternden Krebsdiagnose beginnt der Mittelteil von Dag Johan Haugeruds Trilogie, die in schneller Abfolge im vergangenen Jahr erschien und in kurios durcheinander gewürfelter Reihenfolge in diesem Frühjahr in die Kinos kommt.
Für die Urologin Marianne (Andrea Bræin Hovig) und den Krankenpflege Tor (Tayo Cittadella Jacobsen) ist dies wiederkehrender Alltag. Diese Diagnose-Gespräche entwickeln sich zu leitmotivischen Szenentrennern für wesentlich angenehmere und leichtfüßiger behandelte Themen: Abseits des Klinikstress treffen sich die Arbeitskolleg*innen auf einer Fähre über den Oslo-Fjord. Die imposante Kulisse der norwegischen Hauptstadt wird zur dritten Hauptdarstellerin dieses Films und kommt in diesem Teil der „Oslo Stories“-Trilogie am besten zur Geltung.
Beim Smalltalk auf dem Fjord stellt sich heraus: Tor nutzt die Fähre als sein Cruising-Revier. Auf Grindr checkt er potentielle Sexpartner aus, oft bleibt es aber auch nur bei einem interessanten Gespräch ohne jeden Austausch von Körperflüssigkeiten. Die heterosexuelle Marianne ist von diesem schwulen Beziehungs- und Sex-Modell recht angetan. Sie ist hin und hergerissen, ob sie sich auf eine neue, längerfristige Bindung einlassen soll oder ob unverbindliche One-Night-Stands nicht auch für sie das Richtige wären.
Regisseur und Drehbuchautor Haugerud lässt seine Figuren über verschiedene Einstellungen zu Sex und Beziehung auf eine humorvoll-pointierte Weise reflektieren. „Oslo Stories: Liebe“ (im Original: „Kjærlighet“) ist ein wortlastiges Diskursdrama, auf das man sich einlassen muss. Manchmal gerät Haugerud auch in die Gefahr, etwas zu geschwätzig zu werden. Der Film schafft es aber doch immer wieder, zu einem menschenfreundlichen, angeregt-plaudernden Grundton zurückzukehren und ist in seinen besten Momenten berührend. Das gilt zum Beispiel für die Figur des Psychologen Bjørn (Lars Jacob Holm), eine Grindr-Bekanntschaft von Tor, der von der AIDS-Pandemie der 1980er Jahre so traumatisiert wurde, dass er dem potentiell tödlichen Sex ganz abschwor und erst mit Tors Hilfe zu Zärtlichkeit zurückfindet.
„Oslo Stories: Liebe“ hatte im September 2024 im Wettbewerb um die Löwen von Venedig seine Premiere, lief kurz danach schon beim Filmfest Hamburg und kommt pünktlich zu Ostern am 17. April 2025 in die deutschen Kinos. Die Trilogie geht am 8. Mai 2025 mit ihrem Höhepunkt und Abschluss weiter: „Oslo Stories: Träume“ war der verdiente Gewinner des Goldenen Bären der Berlinale 2025. Am 22. Mai 2025 folgt schließlich noch „Oslo Stories: Sehnsucht“, das unter dem plakativeren Titel „Sex“ als recht banale Fingerübung im Panorama der Berlinale 2024 den Auftakt der kleinen Reihe machte.
Bilder: Alamode Film