Bemerkenswert agil sind die Seniorinnen und Senioren, die wir hier auf der Bühne erleben. Neun Mitglieder aus dem Originalensemble von Pina Bauschs „Kontakthof“ haben sich fast fünf Jahrzehnte später versammelt, um ein Reeanctment wesentlicher Passagen der Choreographien zu versuchen.
Im Hintergrund flimmern grobkörnige Schwarz-Weiß-Bilder, die Pina Bauschs künstlerischer Partner und Lebensgefährte damals für interne Zwecke angefertigt haben. Sie vermitteln uns Nachgeborenen wenigstens einen kleinen Eindruck von der Melancholie und dem Witz dieser Arbeit, von dem ganz eigenen Mix aus Spielszenen und tänzerischen Bewegungen, mit denen Pina Bausch vom beschaulichen Wuppertal aus zum internationl gefragten Star wurde, der die Szene revolutionierte.
Oben sehen wir junge Menschen, im besten Tänzer*innen-Alter von Mitte bis Ende 20, die im Stil eines Tanzcafés der 1920er Jahre ihre Jugend genießen und flirten. Unten auf der Bühne tun es ihnen ihre um fast 50 Jahre gealterten Ichs gleich. Natürlich sind die Hüftschwünge nicht mehr so schwungvoll, wie eine Tänzerin ihrem Partner vorwirft. Aber das Ensemble hat immer noch Eleganz und Anmut, strahlt eine Würde des Alters aus.
Nach etwa einer Stunde, unmittelbar vor der Pause, stellen sie sich vor mit Namen und Alter, manche auch mit kurzem biographischem Abriss, aufgereiht auf Stühlen an der Rampe. Die Schüchternste ist die Jüngste und die Regisseurin dieses Gedächtnis-Abends „Kontakthof – Echoes of ´78“, die 69jährige Australierin Meryl Tankard.
Dennoch hinterlässt diese beim Theatertreffen bejubelte Produktion der Pina Bausch Foundation und des britischen Tanzhauses Sadler´s Wells zwiespältige Gefühle. Zu viel Patina hat das Werk angesetzt, zu betulich wirken die Tanzstunden-Szenen zu Schlagermusik in mehr als zweistündiger Endlosschleife. Zu viel bundesrepublikanische Spießigkeit schwingt hier mit, so dass „Kontakthof – Echoes of ´78“ aus der Zeit gefallen wirkt. Tanzhistorisch und als Meditation über das Alter hat der Abend seinen Reiz. Statt der 10er Auswahl des Theatertreffens, zu dem Pina Bausch und viele der Veteran*innen dieses Abends drei Mal (1980/81/85) eingeladen waren, wäre die Performing Arts Season der Berliner Festspiele der bessere Rahmen gewesen.
Ganz im Hier und Jetzt war unmittelbar davor die Lecture Performance „Made in China 2.0“ von Wang Chong (Alumnus des Internationalen Forums 2013), der als Highlight des Rahmenprogramms seine aktuelle Arbeit zeigte. Beeindruckend, wie Chong politischen Mut mit dramaturgischer Qualität und Humor verbindet. Ein nur knapp einstündiger, sehr lehrreicher Ritt durch die Gegenwart der VR China. Leider ist der Arm der KPCh so lang und gefürchtet, dass der Performer darum gebeten hat, aus Rücksicht auf seine Sicherheit auf detailliertere Beschreibungen zu verzichten. Das ist selbstverständlich zu respektieren.
Bild: Ursula Kaufmann