Schicklgruber

Die Klappmaul-Puppen von Nikolaus Habjan haben einen festen Platz auf dem Spielplan des Deutschen Theaters Berlin, seitdem Iris Laufenberg die Intendanz übernehmen hat. Mit „F. Zawrel  – Erbbiologisch und sozial minderwertig“ haben die beiden auch ein Juwel, das demonstriert, wie berührend und politisch Puppenspiel sein kann.

Als letzte Premiere von Laufenbergs zweiter Spielzeit gibt es nun eine Neuproduktion von Nikolaus Habjan, der gemeinsam mit seinem Mentor Neville Tranter Regie führt, wieder steht die Nazi-Zeit im Mittelpunkt, genauer gesagt: die letzten Wochen im Führerbunker.

2003, also vor etwas mehr als 20 Jahren, schrieb der Australier Tranter dieses Stück. Und diese zwei Jahrzehnte sind dem Abend auch deutlich anzumerken. Die Unbeschwertheit, mit der hier die letzten Tage der Kriegsverbrecher Adolf Hitler und Joseph Goebbels als Puppen-Comedy verjuxt werden, passt zum Zeitgeist der Jahrtausendwende, als sich die westlichen Demokratien als Siegerinnen der Geschichte fühlten, im New Economy-Rausch waren und als extremistische Bedrohungen höchstens den Islamismus ernst nahmen. Ein Jahr später kam bekanntlich auch der umstrittene Film „Der Untergang“ von Bernd Eichinger mit Bruno Ganz und den beiden DT-Stars Uli Matthes und Corinna Harfouch in die deutschen Kinos.

Die knapp 100 Minuten der „Schicklgruber“-Groteske sind recht platte Comedy des Puppenspiel-Duos Nikolaus Habjan und Manuela Linshalm, die Eva Braun, Joseph Goebbels und Co. wie harmlose Witzfiguren wirken lässt. Empfohlen wird das Stück laut Website ab der 10. Klasse, allerdings mit dem Zusatz „Wir bitten Lehrende sich im Vorfeld des Theaterbesuches mit dem geschichtlichen Kontext der Handlung auseinanderzusetzen.“ Das ist auch notwendig, denn der vom DT Berlin und dem Wiener Theater in der Josefstadt koproduzierte Abend geht auf den Kontext kaum ein, sondern wählt den Führerbunker als Schauplatz für eine skurrile Groteske. In Zeiten, in denen rechtspopulistische Parteien in der einen Hauptstadt die stärkste Parlamentsfraktion bilden und in der anderen auf den zweiten Platz zogen, wirkt es aus der Zeit gefallen, über die Nazi-Verbrechen als launige Comedy zu erzählen. Empfehlenswert bleibt hingegen der F. Zawrel-Abend, der an einem Einzelfall sehr anschaulich die Folgen der NS-Ideologie von „minderwertigem Leben“ schildert und aufzeigt, wie Täter noch jahrzehntelang unbehelligt blieben.

„Schicklgruber“ (so war der ursprüngliche Name von Hitlers Vater) hatte am 28. Mai 2025 auf der Bühne des Deutschen Theaters Berlin Premiere.

Bilder: Thomas Aurin

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