Zum Abschluss der Autor*innentheatertage gibt es traditionell eine „Lange Nacht“ aus Werkstatt-Inszenierungen und szenischen Einrichtungen. Standen bei Uli Khuon noch fertige Texte im Mittelpunkt, die eine Jury aus einem Berg an Einsendungen auswählte und die dann binnen weniger Tage in einer Art szenischen Urlesung einstudiert wurden, stehen unter Iris Laufenbergs Intendanz der „Work in Progress“-Charakter und das Ausprobieren an.
Eine Spielzeit lang durften die drei ausgewählten Autor*innen Miku Sophie Kühmel, Guido Wertheimer und Josefine Witt in sogenannten Ateliers an Texten arbeiten und mit Spieler*innen Szenen ausprobieren. Ein Zwischenstand wird bei der Langen Nacht im Juni präsentiert, für viele Projekte ist dann Endstation, im besten Fall wird den den Atelier-Ergebnissen noch der nötige Feinschliff verpasst, so dass in der kommenden Spielzeit Texte von Nele Stuhler und Caren Jeß, die bei der Langen Nacht 2024 zu sehen waren, im regulären Repertoire-Betrieb zur Premiere kommen.
Aus dem aktuellen Jahrgang ist Miku Sophie Kühmels queere Coming of Age-Komödie „Fellwechsel“ am nächsten an der Bühnenreife. András Dömötör inszeniert den Text mit bekannten Gesichtern aus der DT jung-Sparte wie Mio Jurek Lane Südhoff (als Mitschülix) und begabten DT-Komödianten wie Bernd Moss (als Troll) und Jonas Hien (als Lehrer). Zwischen Carina (Fanny Poensgen) und Luisa (Mathilda Tzitzi) knistert es, im Schüleraustausch werden sie jedoch in sehr unterschiedliche Weltgegenden geschickt. Die eine landet in Island und erliegt dort dem Charme eines einheimischen Schönlings (Lenz Moretti), die andere zieht nach Bogotá. Kommentiert vom Elfengesang (die krankheitsbedingt eingesprungene Evamaria Salcher) und beobachtet von den Trollen erleben wir eine amüsante Komödie, bei der viel gelacht wurde, bis der Vorhang pünktlich um Mitternacht viel.
Einen chorisch-musikalischen Zugang zur deutschen Literatur- und Geistesgeschichte versuchen Autorin Josefine Witt und Regisseur Florian Hein, der meist in der Berliner Off-Szene von Ballhaus Ost bis Sophiensaele arbeitet, in „dtschlnd, deine jahreszeiten“ auf der Tribüne des DT. Die allegorische Mutter Natur (Lisa Birke Balzer) lotst ihre Tochter (Mathilda Switala) durch die (Jahres)-Zeiten. Als Fahnenträgerin führt Mercy Dorcas Otieno den Chor an, der von Frühling bis Winter mit Versatzstücken aus dem Kanon von Heinrich Heine bis Johann Wolfgang von Goethe spielt.
Mit den dunkelsten Seiten der deutschen Geschichte befasst sich Guido Wertheimer, der als Nachfahre von Holocaust-Überlebenden in Buenos Aires geboren wurde, in seinem Stück „Nach dem Hass“ in der DT Kammer. In einem Bunker sind die Figuren von einem Monster (Janek Maudrich) konfrontiert, aus dem Off kommentiert vom regieführenden Autor mit Latino-Akzent geraten sie tief in einen dystopischen Strudel.
Als Intro gab es an diesem heißen, längsten Tag des Jahres noch ein launiges Aufeinandertreffen des inklusiven Ensembles des RambaZamba-Theaters und den DT-Sprachkünstler*innen Ulrich Matthes und Almut Zilcher in „Herrlichkeit 1 und 2„.
Bilder: Jasmin Schuller