Eine Crux des politisch engagierten Dokumentartheaters ist es, dass die fleißig gesammelten Rechercheergebnisse oft staubtrocken präsentiert werden und nur den harten Kern der ohnehin schon Überzeugten erreicht.
Ayşe Güvendiren, 2021 für eine Arbeit an der Otto Falckenberg Schule beim Körber Studio Junge Regie ausgezeichnet, überlegte sich einen dramaturgischen Kniff: „You came, you saw – ein No Escape Room“ erzählt wie viele andere Abende von der Kontinuität rechten Terrors von Mölln über Solingen, die NSU-Mord-Serie, das Attentat vom Münchner OEZ bis nach Hanau. Gerahmt werden die Szenen von Horrorclown Jigsaw, der das Publikum wie im amerikanischen Genre-Franchise „Saw“ direkt anspricht. Die Episoden werden durch Schwarzblenden getrennt, in denen das bedeutungsschwere Leitmotiv dröhnt und die Erzähler-Stimme einen Kurzauftritt hat.
Die Anspielungen auf das Horror-Genre sind ein ungewöhnlicher, dramaturgischer Kniff, die verhindern, dass der zweistündige Abend in den üblichen Frontal-Geschichtsunterricht abgleitet. Zielgerichtet lenken sie das Interesse auf den wahren Horror: die Stimmen der Angehörigen aus dem Off, die beklagen, wie die Ermittlungsbehörden versagten. Ein besonderer Tiefpunkt ist, dass die NSU-Morde bekanntlich lange Zeit als „Dönermorde“ im kriminellen Migranten-Milieu fehlgedeutet wurden.
Viele der Fakten, die Güvendiren und ihr vierköpfiges Ensemble hier ausbreiten, sind aus zahlreichen Zeitungsartikeln und Untersuchungsausschüssen bekannt. Neue Details gibt es am ehesten in der Episode über das OEZ-Attentat von 2016 zu erfahren: Satirisch zugespitzt wird die Auszeichnung der Münchner Polizei für ihre Kommunikationsstrategie auf Twitter/X nachgespielt. Dies ist besonders kurios, wenn man bedenkt, dass sich das Framing als Amoklauf jahrelang hielt, obwohl es bereits nach wenigen Stunden klare Hinweise gab, dass es sich um einen rechtsextremen Anschlag auf Migranten zum 5. Jahrestag des Utøya-Massakers von Anders Breivik handelte.
Der Versuch, die bekannten Fakten über rechten Terror in einer schlüssig aufbereiteten Tour d´Horizon aufzubereiten, die vor allem auch ein jüngeres Publikum mit vertrauten Genre-Motiven abholt, ist gerade in einer Stadt wie Dresden verdienstvoll, wo rechte Narrative breiten Raum einnehmen und im Diskurs fast schon dominant sind.
Kurz vor Saisonende hatte „You came, you saw“ am 14. Juni 2025 im Kleinen Haus des Staatsschauspiels Dresden Premiere.
Bilder: Sebastian Hoppe