Das Schiff der Träume (fährt einfach weiter)

Die ernste Miene, mit der Intendantin Iris Laufenberg vor den eisernen Vorhang tritt, verheißt nichts Gutes. Sollte die Eröffnungs-Premiere „Das Schiff der Träume (fährt einfach weiter)“ doch noch im letzten Moment platzen? Vor einigen Wochen musste Regisseurin Claudia Bauer das Handtuch werfen, ihre Kollegin Anna Bergmann, bis zum Sommer Schauspieldirektorin in Karlsruhe und dem DT-Publikum schon aus zwei Inszenierungen der Ära Uli Khuon bekannt, musste einspringen.

Die Premiere platzt zwar nicht, aber dennoch gibt es gravierende Gründe für die Sorgenfalten der Intendantin: Kultursenator Joe Chialo und Finanzsenator Stefan Evers (beide CDU) haben angekündigt, dass die Theater 10 % ihres Etats einsparen müssen. Das würde empfindliche künstlerische Einbußen bedeuten, skizziert Laufenberg in ihrem düsteren Intro.

Düster endet auch das anschließende Stück: eine Möwe (Mathilda Switala) und ein Nashorn (Julia Gräfner) sitzen wortlos an der Rampe, lakonisch wird die Frage eingeblendet, ob sie sich noch an die Menschen erinnern. Diese sind nämlich zuvor in einer traurig-schönen Choreographie endgültig untergegangen.

Anja Schneider rahmt die Inszenierung mit ihren Monologen, in denen sie den Bogen vom Ausbruch des Ersten Weltkriegs zu weiteren historischen Schicksalsdaten wie dem Überfall der Nazis auf Polen, dem islamistischen Anschlag aufs World Trade Center, dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und ganz zum Schluss auch den jüngsten Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen schlägt. Der Österreicher Thomas Perle hat diese Texte geschrieben, am DT wurde noch zu Khuons Zeit sein Nestroy-prämiertes Drama „karpatenflecken“ in der Box uraufgeführt.

Sie sind eingewoben in Motive aus Federico Fellinis 1983 erschienenem Spätwerk „E la nave va“, darin begleitet eine Gruppe von Operndiven die Urne ihrer verstorbenen Kollegin Edmea Tetua (deutlich von Maria Callas als realem Vorbild inspiriert) auf ihrem letzten Weg zur Seebestattung.

Die letzte große Adaption dieses Films, mit der Karin Beier und ihr Hamburger Ensemble das Berliner Theatertreffen 2016 eröffnete, rückte das Schicksal der Flüchtlinge in den Mittelpunkt und war als Kommentar zur damaligen Aufwallung pro und contra Willkommenskultur gedacht. Dieser Erzählstrang wird am DT von Bauer/Bergmann nur kurz angetippt.

Im Mittelpunkt stehen die traumverloren-todessehnsüchtigen Diven, die Vanessa Rust mit hochtoupierten Haartürmen ausstaffiert hat. Die Ausstattung ist einer der Pluspunkte dieses Abends. Die nur etwas mehr als 90 Minuten kurze Inszenierung fühlt sich wesentlich länger an, da der Abend um einige Filmmotive wie die blinde Prinzessin, die Farben der Musik sehen kann, oder das Nashorn mäandert. Begleitet von Dorian Sorgs Livekamera steigen sie hinab in die Unterbühne des DT, die den Heizungskeller des Fellini-Schiffs verkörpern soll.

Als Theaterabend bleibt diese freie Fellini-Bearbeitung recht zäh und verliert sich im Slapstick. Umso mehr kann das Ensemble mit den Gesangseinlagen punkten, die in der zweiten Hälfte den gebührenden Raum bekommen. Die Schauspielerinnen und Schauspieler singen durch die Bank hervorragend, Moritz Kienemann gibt nach dem Gastspiel in Bauers letztjährigem Dada-Abend seinen Einstand als festes Ensemble-Mitglied, als Gäste sind Anastasia Gubareva, die von 2013-2022 mit ihrer Stimme in vielen Gorki-Inszenierungen glänzte, und Sina Kießling, die zuletzt beim „Othello“ in der Lausitz zu sehen war, in der Rolle der verstorbenen, herumgeisternden Diva dabei.

Die Gesangspartien sind die Glanzlichter des Abends und retten einen ansonsten durchwachsenen Abend, der mit freundlichem, aber nicht euphorischem Premieren-Beifall aufgenommen wurde.

Bilder: Eike Walkenhorst

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