Dieses Landgut hat schon bessere Zeiten gesehen. Auf der ansonsten leeren Bühne hat Johannes Schütz allerlei Sperrmüll und Trümmer verteilt. Aber auch um den Hausherrn steht es nicht besser: im Zottel-Look und mit Rotzbremse auf der Oberlippe taucht Joachim Meyerhoff in diesem unwirtlichen Szenario auf.
Brechts „Puntila“ ist eine Paraderolle für den Hamburger Neuzugang, der zum Spielzeitauftakt von der Berliner Schaubühne ans Schauspielhaus wechselte und gleich die Titelrolle in der Eröffnungsinszenierung der regieführenden Intendantin Karin Beier kam.
So richtig in Fahrt kommt Meyerhoff, als er das Publikum anpflaumen kann: auf dem Gesindemarkt hält der Gutsherr Ausschau nach neuen, willigen Arbeitskräften. Dazu wird das Licht im Saal so weit aufgeblendet, dass der Schauspielstar seine Opfer in den ersten Reihen ins Visier nehmen kann. Genüsslich macht er sich über Brillen und Frisuren lustig, am liebsten demütigt er aber seinen Spielpartner Michael Wittenborn, den er immer nur „Den Kümmerlichen“ nennt und dazu zwingt, auf ein Podest zu steigen und „Mercedes Benz“ von Janis Joplin zu krächzen.
Meyerhoff darf diesmal nicht nur das provokative Ekel spielen, als das er zuletzt auch in Jette Steckels Münchner Theatertreffen-Gastspiel „Die Vaterlosen“ herumätzte, sondern auch den jovialen Charmeur, den wir bei seinem Auftritt als Trigorin in Thomas Ostermeiers „Die Möwe“ kennenlernten. Für diesen Auftritt an der Schaubühne wurde er zum Schauspieler des Jahres 2023 gewählt.
Diese Doppelgesichtigkeit der Hauptfigur ist natürlich bei Bertolt Brecht angelegt: in seinem kapitalismuskritischen Volksstück führt er de Gutsherrn als Alkoholiker vor, der seinen Angestellten im Suff auf Augenhöhe begegnet, aber zum unausstehlichen Ausbeuter wird, falls er zwischendurch mal nüchtern wird.
Es war zu erwarten, dass der Abend eine große Meyerhoff-Show wird. Manchmal blitzt dies auch auf. Erstaunlich ist aber, dass er die Handbremse angezogen lässt und sich nicht zu viel Raum nimmt.
Der Inszenierung tut dies jedoch nicht gut. Die drei Stunden 15 Minuten verlieren sich zu oft in derben Späßen auf Schwanzvergleich-Niveau und unnötigen Längen. Puntilas Bräute, denen er im Suff Anträge machte, werden zu Travestie-Witzfiguren (Jan-Peter Kampwirth, Josef Ostendorf, Maximilian Scheidt und der schon erwähnte Michael Wittenborn).
Als weiterer Star ist Lilith Stangenberg zu Gast, die als Puntilas Tochter Eva jedoch auch unerwartet blass bleibt in ihrem Duett mit Kristof van Bovens Matti.
„Herr Puntila und sein Knecht Matti“ hatte am 22. September am Deutschen Schauspielhaus Hamburg Premiere
Bild: Katrin Ribbe