Der nackte Wahnsinn

Zum Boulevard-Klassiker avancierte „Der nackte Wahnsinn“ von Michael Frayn von 1982. Landauf, landab wird er gespielt, die großen Häuser in den Metropolen fassen diese deftige Farce meist nur mit spitzen Fingern an. Der regieführende Intendant Martin Kušej verabschiedete sich damit vom Münchner Residenztheater nach Wien, sein Kollege Oliver Reese setzt damit einen Kontrapunkt zur grauen Berliner Krisenstimmung: In eine Zeit multipler Krisen und ausweglos scheinender Kriege platzte auch noch die Spar-Androhung des Senats.

Auf die beiden düsteren, problembeladenen Eröffnungsstücke „Der Tod eines Handlungsreisenden„, ein Abgesang auf den American Dream kapitalistischer Prägung, und Frank Castorfs „Kleiner Mann – was nun?“ über den Untergang der Weimarer Republik folgt nun ganz bewusst ein Abend, der einfach nur gut unterhalten will.

Tiefgründige Gedanken wird man in der Farce „Der nackte Wahnsinn“ sicher vergeblich suchen. Die drei Stunden setzen auf die gut geölte Maschinerie von Klipp-Klapp-Tür auf-Tür zu, Slapstick und Nervenzusammenbrüchen, die sich auf Boulevard-Bühnen bewährt hat. Getreu der Vorlage erleben wir am Berliner Ensemble das komplette Scheitern einer Wandertruppe, die mit einem Schenkelklopfer durch die Provinz tingelt, aber jeden Gag und Auftritt verstolpert.

Wenn Könnerinnen wie Kathrin Wehlisch oder Constanze Becker diese Knallchargen spielen oder Wolfgang Michael als Suffkopf im falschen Moment hereinstolpert, ist dies am BE ein Komödien-Vergnügen, da natürlich jeder verpatzte Auftritt punktgenau sitzt. Präzise schnurren die drei Theater-Stunden ab, die allerdings schon im Original etwas zu lang sind, da das dreifache Scheitern von Generalprobe, Gastspiel in den Mühen der Ebene und Dernière zwangsläufig etwas redundant wird.

Große Regieeinfälle sind hier auch nicht notwendig. Das Original funktioniert trotz angestaubter Blondinenwitze im Kern immer noch. Reese verzichtet auf Eingriffe, lässt der Farce ihren Lauf und setzt nur an einer Stelle Akzente: alle Schauspieler*innen tragen konsequent die Mode der 1980er Jahre mit hässlichen Vokuhilas und Leggins. 

Den größten Applaus bekam zurecht Pauline Knof: als die für 2. Oktober geplante Premiere wegen einer Gehirnerschütterung von Peter Moltzen während der Proben verschoben werden musste, drohte auch der Ausweichtermin wegen Virus-Erkrankung von Lili Epply zu platzen. Mit Knopf im Ohr spielte sie souverän, als sei nie etwas Anderes geplant gewesen.

Bilder: Jörg Brüggemann

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert