Das Licht

Ein unglückliches Händchen hatte die neue Berlinale-Chefin Tricia Tuttle mit der Wahl ihres Eröffnungsfilms: „Das Licht“ ist ein überlanger Genre-Mix, in dem sich Tom Tykwer verlor.

In „Lola rennt“ gelang es Tykwer 1998 hervorragend, die Atemlosigkeit und die vielen Freiräume des Post-Mauerfall-Berlins einzufangen. In den beiden darauffolgenden Jahrzehnten arbeitete er regelmäßig mit internationalen Stars und durfte mit den beiden Thrillern „Heaven“ (2002) und „The International“ (2009) zwei Berlinale-Ausgaben von Dieter Kosslick eröffnen. Nach seinem nur noch mäßig erfolgreichen „Ein Hologramm für den König“ (2016) konzentrierte sich Tykwer auf die ARD/Sky-Prestige-Serie „Babylon Berlin“, deren 5. und letzte Staffel in Arbeit ist.

Für seine Rückkehr auf die große Kino-Leinwand nach 9 Jahren Pause wühlte Tykwer offensichtlich im Zettel-Kasten der Diskurse und bemüht sich verkrampft, eine Tragikomödie einer dysfunktionalen, klischeehaft überzeichneten Patchwork-Familie Engels mit zwei prägenden Diskurs-Themen der späten 2010er Jahre zu verknüpfen, nämlich der Integration von Flüchtlingen nach dem syrischen Bürgerkrieg (verkörpert durch die Figur der Haushälterin Farrah, gespielt von Tala Al-Deen) und den Protesten Jugendlicher gegen den rasant voranschreitenden Klimawandel (verkörpert von Tochter Frieda, gespielt von Elke Biesendorfer).

In einer Paraderolle als narzisstischer Möchtegern-Künstler und Werbe-Fuzzi ist Lars Eidinger als überforderter Familienvater Tim Engels zu erleben und lässt sich auch die obligatorische Pimmel-Show nicht nehmen. Der Rest der überlangen 260 Minuten mäaandert zwischen dem Realismus einer von ihrem Alltag und ihrer Kommunikationsunfähigkeit überforderten Patchwork-Familie, komödiantischen, aber allzu beliebig eingestreuten Musical-Einlagen und einem gewaltigen Schuss an Esoterik und Übersinnlichkeit. Scharnier zu dieser Sphäre ist die Figur der Farrah, die in Syrien eine medizinische Ausbildung erhielt und beim Jobcenter passendere Angebote ablehnt, um sich als deutlich überqualifizierte Haushaltshilfe um den Dreck und Seelenmüll der Engels zu kümmern. Schon in einer der ersten Einstellungen sehen wir sie an einem Stroboskop-artigen Lichttherapie-Gerät, mit der sie ihre Klienten und am Ende die Familie Engels dazu bringen will, sich mit ihren Traumata zu beschäftigen. Unvermittelt tauchen dann auch Farrahs eigene Familienmitglieder wieder auf, die sie auf der Flucht anscheinend verloren hat.

Doch je länger der Film geht, desto verquaster wird er und desto weniger passen die Handlungsstränge und Realitätsebenen zueinander. Immerhin hat „Das Licht“ zur Berlinale-Eröffnung einiges an Lokalkolorit zu bieten, da neben Nairobi auch der Potsdamer Platz im Dauerregen ein wichtiger Drehort war, und ein paar komödiantische Einlagen wie das Fitnessstudio-Spalier für Eidinger oder die leitmotivischen Queen-Hits, die Sohn Dio (Elyas Eldridge) anstimmt und zu denen das Ensemble tanzt.

Nach der Gala-Premiere im frisch verschneiten Berlin am 13. Februar 2025 soll „Das Licht“ am 20. März 2025 in den deutschen Kinos starten.

Bilder: Frederic Batier/X-Verleih

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