Keine traurigen Clowns, sondern existentiell Verzweifelte und in eine Nebel-Tristesse Geworfene erleben wir in Ulrich Rasches Bochumer „Warten auf Godot“. Die Beine werden schwer, der Rücken gekrümmt, die Knie schmerzen, doch unermüdlich müssen Wladimir und Estragon (Steven Scharf und Guy Clemens) über die Drehbühne schreiten. Über ihnen senkt sich nach und nach eine Drehschreiben-Licht-Konstruktion herab, die an ein Alien-Ufo erinnert.
Mit seinen bekannten Theaterstilmitteln bietet Rasche eine sehr konsequente Lesart des Samuel Beckett-Klassikers, die sich deutlich von anderen aktuellen Inszenierungen dieses Stücks abhebt, das gerade eine Renaissance erlebt: den Slapstick, den TV-Star Matthias Brandt in Strumpfhose bei Luc Perceval am Berliner Ensemble bot, wird man ebenso vergeblich suchen wie die absurde Komik von Claudia Bauers „Godot“ am Münchner Residenztheater.
Die Unerbittlichkeit, mit der die Motive der Verzweiflung und Ausweglosigkeit bei Rasche auf die Spitze getrieben werden, macht diesen Godot zu einer der Inszenierungen, die von dieser Spielzeit in Erinnerung bleiben werden. Leider gibt es keine weitere Chance, sich davon ein eigenes Bild zu machen: Zum Saison-Auftakt hatte „Warten auf Godot“ am 6. September 2024 seine Premiere, gestern war am 19. Juni 2025 die letzte Vorstellung.
In der traditionellen Bilanz der Jury, mit der jeder Theatertreffen-Jahrgang endet, wurde Rasches „Godot“ von mehreren Juror*innen als die Inszenierung genannt, die sie am meisten in der 10er Auswahl vermissen. Obwohl sich Rasche deutlich vom Überwältigungstheater seiner monströsen Bühnen-Ungetüme zu kleineren Formen wegbewegt hat, polarisieren seine Arbeiten immer noch sehr. Auch in der TT-Jury gab es anscheinend begeisterte Befürworter und entschiedene Gegner. „Warten auf Godot“ blieb jedenfalls auf der Shortlist hängen und wurde nicht in die 10er Auswahl eingeladen.
Wie kaum eine andere Stückvorlage passt der repetitive Charakter des Beckett-Stücks zu Rasches psychedelischem Stil passt, der „voll auf den Kopp geht“, wie ein begeisterter westfälischer Zuschauer sagte. Den Gegnern ist zuzugestehen, dass Rasches Stil im Kern immer derselbe ist und ihm bereits vier Theatertreffen-Einladungen sicherte, zuletzt im vergangenen Jahr mit Lessings „Nathan der Weise“. Das war wohl ein entscheidender Grund für die Jury, diesen Abend, der zurecht von den Kritiken als Ereignis und eindrucksvolles Exerzitium gefeiert wurde, als nicht bemerkenswert genug einzustufen.
Bilder: Jörg Brüggemann/Ostkreuz