Die Beckettsche Tristesse und Lethargie wird an diesem langen Premierenabend einmal gründlich aufgemischt: Hund Lucky (Jannik Mühlenweg) klettert und krabbelt über die Köpfe des Publikums hinweg. Sobald er das Parkett hinter sich hat, entert er die Ränge, sein überfordertes Herrchen Pozzo (Oliver Kraushaar) keuchend in seinem Schlepptau, der vergeblich versucht, ihn einzufangen.
Diese Showeinlage, die an den noch animalisch-grunzenderen Auftritt von Tim Werths in Ivica Buljans Marstall-Inszenierung „Der Balkon“ (2018) erinnert, damals inspiriert von Ruben Östlunds Kunstbetriebs-Farce „The Square“ (2017), ist eine willkommene Abwechslung zur bekannten Nicht-Handlung des Samuel Beckett-Klassikers „Warten auf Godot“.
Davor und danach ergehen sich TV-Stargast Matthias Brandt (Estragon) und Paul Herwig (Wladimir) im Ping-Pong ihrer Verzweiflungsseufzer. Während sie stumpf auf den mysteriösen Godot warten und über ihre Malaisen klagen, hibbelt Herwig nervös zwischen den Scheinwerfern herum, die Katrin Brack auf die ansonsten leere Bühne gestellt hat. Von Ferne sieht das gesamte Equipment wie Felsbrocken in einer unwirtlichen Endzeit-Landschaft aus. Bei näherem Betrachten erkennt man die Theater-Szenerie, die noch dadurch unterstrichen wird, dass Souffleuse Antonia Schirmer live mit auf der Bühne ist und von einer Seitenloge aus stoisch die Beckettschen Regieanweisungen einliest. André Mumot und Christine Wahl rätselten in den ersten Besprechungen, ob und was der belgische Regiealtmeister Luk Perceval uns mit diesem Erzähl-Kniff sagen will.
Ansonsten schleppt sich der Abend mit Promi-Besetzung in den erwartbaren Bahnen dahin. Ein weiteres Rätsel bleibt, warum es derzeit zu einer auffälligen Godot-Welle kommt. In Berlin stand der Nachkriegs-Klassiker schon länger nicht mehr auf dem Spielplan. Samuel Finzi und Wolfram Koch spielten die traurigen Clowns in Endlosschleife am DT und waren mit Ivan Panteleevs Inszenierung zum Theatertreffen 2015 eingeladen. Kurz vor Perceval brachten jedoch auch Ulrich Rasche am Schauspielhaus Bochum und Claudia Bauer am Münchner Residenztheater den Godot auf eine der großen deutschen Bühnen mit überregionaler Ausstrahlung. Eine Reaktion auf die von Trump, Krieg und Pandemie aufgewühlten Zeiten mit ihren Krisen-Seufzern? Auch eine der offenen Fragen nach diesem Theaterabend, der letzten großen BE-Premiere dieser Spielzeit.
Bilder: Jörg Brüggemann