Tamara Trunovas Stil ist in Berlin bekannt: assoziative Suchbewegungen mit vielen Kulturbetriebs-Querverweisen und noch mehr Selbstironie gepaart mit einem gehörigen Schuss politischen Aktivismus für ihr von Russland angegriffenes Heimatland prägten schon frühere Arbeiten der künstlerischen Leiterin des Left Bank Theatre Kyiv.
Birgit Lengers und Uli Khuon stellten am Deutschen Theater Berlin ihre Arbeiten „Bad Roads“, die sehr düster vom seit 2014 weit vor der Vollinvasion Russlands schwelenden Krieg im Osten der Ukraine erzählte, und „Ha*l*t“ vor, eine Reflexion, welche Spielräume es für die Kunst in Zeiten des Krieges geben kann.
Zwei Jahre später dauert der Krieg immer noch an und knüpft „Confronting the Shadow“ an den Vorgängern an. Die neue Arbeit ist eine Koproduktion des Left Bank Theatre und des „Performing Exiles“-Festivals, das der designierte Volksbühnen-Intendant Matthias Lilienthal für die Berliner Festspiele zum zweiten Mal kuratiert.
Nicht im Stammhaus, sondern im Ballhaus Ost, einer der umtriebigsten Freie Szene-Bühnen der Stadt, erleben wir knapp 2,5 Stunden, die sprunghaft Themen antippen, Figuren und Motive mixen und mit Genres spielen. Dokumentarische Auftritte eines kriegsversehrten Veteranen stehen recht unverbunden neben Ausflügen in die US-Pop-, Kino- und TV-Kultur von Marge Simpson bis David Lynch sowie Exkursen in die Theatergeschichte von William Shakespeare bis Heiner Müller. Viel Ironie, etwas Slapstick und Klamauk runden den Kessel Buntes, dessen Grundtenor ist: Der Westen soll den Verteidigungskampf der Ukraine nicht vergessen. Eine Politkabarett-Nummer rekapituliert das zähe Ringen um die Lieferung der Leopard-Panzer, bevor es den nächsten Seitenhieb gegen erfolgreiche russische Künstler*innen wie Kirill Serebrennikow, Marina Davydova und Timofej Kuljabin gibt, die weiterhin größere Bühnen bekommen als die ukrainischen Exilanten.
Dramaturgisch ist der ursprünglich für eine Stunde angesetzte Abend, der mehr als doppelt so lang wurde, recht holprig. Die Blicke der narzisstischen Hohlbirnen, die in gewohnter Rücksichtslosigkeit ihre Smartphones rausholen, gingen häufiger auf das Display. Es wurde lieber durch Apps gescrollt als die nächste assoziative Wendung mit zu vollziehen.
Ungeschickt geplant war, dass die Zeit für den Shuttle-Transfer von der anderen Festival-Vorstellung „Four Walls“ vom HAU in den Prenzlauer Berg viel zu optimistisch kalkuliert war, so dass sich der Beginn fast um eine halbe Stunde verschob und das Publikumsgespräch erst kurz vor Mitternacht beginnen konnte. Vielleicht wäre es dem ukrainischen Team gelungen, einige Gedanken zu den wichtigen Fragen ihrer Arbeit präziser zu präsentieren, aber nach einer langen Arbeitswoche ist ein Mitternachtstalk nur noch für die wenigsten ein sinnvolles Angebot.
Heute findet im Ballhaus Ost die letzte der drei Festival-Vorstellungen von „Confronting the Shadow“ statt.
Bilder: Fabian Schellhorn