Kaum ein Regisseur versorgt die internationalen Festivals in so hoher Schlagzahl mit neuen Filmen wie der Italiener Luca Guadagnino. Sein vorletzter Film „Challengers“ war gerade erst in den deutschen Kinos im April 2024 angekommen, als er schon „Queer“ im Wettbewerb von Venedig im September nachlegte.
Dieses aktuellste Guadagnino-Werk erzählt natürlich wieder von seinem Lieblingsthema, dem Begehren, diesmal in seiner unerfüllten Version. William Lee, ein Alter Ego des US-amerikanischen Schriftstellers William S. Burroughs, flaniert durch nachgebaute Kulissen von Mexico-City der 1950er Jahre: stets auf der Suche nach dem nächsten Drogen-Schuss, stets auf der Suche nach attraktiven jungen Männern.
„Queer“ basiert auf einer 1985 erschienen Novelle, in der Burroughs autobiographische Erlebnisse verarbeitete. Die Hauptfigur ist von Beginn an ein kettenrauchendes, Alkohol trinkendes Wrack, dessen Zustand sich nach dem Entzug der Opiate noch verschlimmert. Zitternd wie ein Häuflein Elend liegt Lee auf seinem Bett: Daniel Craig wählte diese Rolle wohl ganz bewusst als größtmöglichen Kontrast zu seiner James Bond-Rolle. Statt des selbstbewusst-eleganten Geheimdienstkillers, dem die Herzen schöner junger Frauen zufliegen, spielt er diesmal einen gebrochenen, alten Mann, der sich nach männlichem Frischfleisch sehnt. Seine Tragik: der angeschmachtete Jüngling (Drew Starkey) hat kein sonderlich großes Interesse an und lässt seine sexuellen Vorlieben bewusst in der Schwebe. Eugene Allerton lässt sich aber doch auf eine Affäre ein. Es ist aber stets klar, dass er die Regeln bestimmt. Oft entzieht er sich dem Begehren des älteren Mannes, stimmt aber doch einer Reise nach Südamerika zu, die natürlich der Sugardaddy finanzieren muss.
Diese Reise wird mehr und mehr zum Trip. Geschwächt von der Sucht, zerrieben von den Zurückweisungen und getrieben von der Suche nach der Yagé-Pflanze zieht es das ungleiche Paar in den Dschungel. Die visuell interessantesten Szenen, die Sayombhu Mukdeeprom filmt, erzählen von einem rauschhaften Schwebezustand. Mit der Überblendungs-Technik scheinen die Körper zu verschmelzen. „Das ist alles grandios anzusehen. Mehr aber auch nicht“, fasste Susan Vahabzadeh in der SZ treffend zusammen. Die erlesenen Bilder plätschern recht redundant mehr als zweieinhalb Stunden dahin. Guadagnino hat uns über eine Charakterstudie des unglücklich Verliebten, Suchtkranken hinaus jedoch wenig zu erzählen: „Dem Film fehlt eine Brücke in die Gegenwart, und wäre es auch nur eine in Gedanken.“
Enttäuschend sind vor allem die Szenen, in denen Guadagnino die beiden Körper aufeinanderprallen lässt. Wie meisterhaft er von Begehren und Lust erzählen kann, bewies er vergangenes Jahr mit „Challengers“. Wo es damals in fast jeder Einstellung in der menage-á-trois knisterte, irritiert diesmal die unbeholfene Bett-Gymnastik von Craig und Starkey.
Hauptdarsteller Craig war in den vergangenen Wochen sowohl für einen Europäischen Filmpreis als auch einen Golden Globe nominiert, ging in beiden Fällen aber leer aus. Nach der Premiere in Venedig, wo der Film im Wettbewerb ebenfalls unprämiert blieb, lief „Queer“ zum Abschluss des „Around the World in 14 films“-Festivals in der Berliner Kulturbrauerei im Dezember 2024. Am 2. Januar 2025 startete er in den deutschen Kinos.
Bilder: Mubi