Ein fester Slot in jedem Theatertreffen-Jahrgang gehört den Sprachspielereien und Slapstick-Virtuosen. Diesmal wählte die Jury eine Arbeit von Anita Vulesica aus, die in ihrer Zeit am DT Berlin (2010-2018) eine der besten Komödiantinnen auf Berlins Bühnen war und ihr Talent noch ab und zu in Gastspielen, z.B. in Claudia Bauers „Ursonate“ aufblitzen lässt.
Mittlerweile konzentriert sich Vulesica aber mehr auf die Regie, im DT-Repertoire sind aktuell gleich drei Inszenierungen von ihr auf der Kammerbühne zu sehen: die Grazer Übernahme „Die kahle Sängerin“, George Perecs „Gehaltserhöhung“ und Svenja Viola Bungartens feministische Splatter-Farce „Der Liebling“. Ihre erste Einladung zum Theatertreffen bekam Vulesica mit einer Inszenierung, die am 12. Oktober 2024 auf der großen Bühne des amtierenden Theater des Jahres Premiere hatte: „Die Maschine oder: Über allen Gipfeln ist Ruh“ basiert auf einem Hörspiel von George Perec, der 1968 das Goethe-Gedicht „Wandrers Nachtlied“ sampelte, remixte und durch den Fleischwolf drehte.
Unter strenger Regie der Chefin (Sandra Gerling) müssen drei Versuchskaninchen (Moritz Grove, Daniel Hoevels, Christoph Jöde) in rasantem Tempo immer neue Variationen des Gedichts sprechen. Silben werden vertauscht, Wörter ersetzt, es wird rückwärts gesprochen. Fans der Sprachakrobatik haben sicher ihre Freude daran. Das Setting ist retrofuturistisch: die Spieler*innen sitzen vor Buzzern wie in der Jeopardy-Rate-Show, im Hintergrund ein Wimmelbild aus Röhren (Bühne: Henrike Engel), Janina Brinkmanns Kostüme im 70er Look erinnern an die Shows von Barbara Brück/Clemens Sienknecht.
In 45 bis 60 Minuten wie im Original-Hörspiel wäre „Die Maschine“ eine amüsante Sprachspielerei, gewürzt mit Körperkomik und Slapstick des tollen Hamburger Ensembles, gewesen. Doch Vulesica streckte den Abend auf 90 Minuten, baut eine fade Ausdruckstanz-Parodie ein und lässt noch Yorck Dippe im zerstreuter Professor-Look als Perec-Double auftreten. Auch textlich entfernt sie sich durch weitere Einschübe vom Original. So wird der Abend redundant und verliert an Witz, der Sitznachbar nickt regelmäßig ein und das Glucksen und Kichern des Festspielhaus-Publikums wurde verhaltener.
Witzig war die Dankesrede, die Vulesica im Anschluss für den 3sat-Preis des Theatertreffens 2025 performte. Intendantin Karin Beier glänzte erneut durch Abwesenheit, diesmal ohne Begründung, ich hoffe, den Welpen geht es gut.
Zuvor gab es im Rahmenprogramm zum 60. Jubiläum des Internationalen Forums des Theatertreffens ein Wiedersehen mit dem südafrikanischen Performer Kieron Jina (Alumnus 2019), der in der von Thomas Oberender kuratierten Festival-Reihe „Shifting Perspectives“ mit dem „Pink Money“-Gastspiel 2018 begeisterte.
Diesmal zeigt er nur ein halbstündiges Appetithäppchen: „A Border Is a Line That Birds Cannot See“ verknüpft seine bekannten Themen Afrofuturismus (mit Raumfahrer-Brille im 1. Teil), Queerness (mit Jockstraps-Look im 2. Teil) und Migration (als Leitfaden des Voiceovers).

A Border is a Line that Birds cannot see, Bild: Fabian Schellhorn
Die wenigen Zuschauer, die eine Karte ergattern konnten, schauen von der Kassenhalle auf den Vorplatz, wo Jina seine Kreise zieht und Festival-Gäste immer wieder irritiert durchs Blickfeld laufen, bevor der queere Befreiungs-Part im Garten des Festspielhauses stattfindet. Freundlicher Applaus für eine kleine Show dieses Performers, der in größeren Formaten sein Entertainer-Talent noch viel besser ausspielen kann.
Vorschaubild: Eike Walkenhorst