Manche Zufälle ergeben ein so perfektes Timing, wie es sich auch bei akribischer Planung kaum erreichen lässt: am ohnehin geschichtsträchtigen 8. Mai, dem 80. Jahrestag der Befreiung von der NS-Herrschaft, stieg in Rom Rauch auf. Ein US-amerikanischer Kardinal, der als Mann der Mitte und des Ausgleichs beschrieben wird, tritt sein Pontifikat als Papst Leo XIV. an. Am selben Abend sind Florentina Holzinger und ihre nackten „Sancta“-Nonnen um die lesbische Gegenpäpstin Saioa Alvarez Ruiz zurück an der Volksbühne.
Mit pausenlosen 2:45 Minuten ist „Sancta“ der wuchtigste und längste Abend der 10er Auswahl und nach zwei restlos ausverkauften Herbst-Gastspielen noch mal für drei Theatertreffen-Vorstellungen zurück in Berlin: ein toller Erfolg für die koproduzierenden Häuser (Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin, Staatsoper Stuttgart, Volksbühne am Rosa Luxemburg-Platz, Wiener Festwochen). Ein solcher Genre-sprengender Kraftakt lässt sich nur im Verbund stemmen, erst recht angesichts der noch engeren Finanzlage nach den angekündigten Kürzungen.
„Sancta“ hält der Blut- und Gewaltgeschichte der katholischen Kirche in der aus Florentina Holzingers früheren Arbeiten bekannten Splatter-Ästhetik den Spiegel vor. Die Schock-Schlagzeilen der Boulevard-Presse übersahen jedoch, was es für ein menschenfreundlicher, Gemeinschaft stiftender Abend ist, der mit der großen „Don´t dream it, be it“-Hymne eine neue Kirche der Ausgeschlossenen zusammenführt.
Für Florentina Holzinger ist „Sancta“ die bereits dritte Theatertreffen-Einladung nach „Tanz“, das 2020 dem Corona-Lockdown zum Opfer fiel, und „Ophelia´s got talent“ 2023. Beim obligatorischen Nachtgespräch machte Mike Dele Dittrich Frydetzki (nonbinäre Performer*in mit Verbindungen zu Hellerau Dresden und LOFFT Leipzig) im fünfminütigen Impuls einen interessanten Aufschlag zum Backlash, den wir seit Jahren erleben, auch und gerade im Osten, dem diese in Schwerin angestoßene Koproduktion und Holzingers queerfeministische Performance etwas entgegen setzen. Leider schien Moderatorin Xenia Sircar bei der Moderation überfordert und schlecht vorbereitet: diese Gedanken wurden von den weiteren Panelistinnen kaum aufgenommen, ein Gespräch zu dieser Produktion kam kaum in Gang und blieb an der Oberfläche.
Bild: © Nicole Marianna Wytyczak