Aus seinem Roman „Die Krume Brot“ machte der Büchner-Preisträger Lukas Bärfuss eine Stückfassung die quer durch die Jahrzehnte reicht und als Sozialdrama/Familiensaga von gesellschaftlichen und politischen Problemen in Italien und der Schweiz erzählt.
Die Miniaturen schildern Armut, Rassismus und kurz vor Schluss in einem langen Monolog von Jörg Pohl, Co-Schauspiel-Chef am Theater Basel, auch den Linksterrorismus der Brigate Rosse in den 1970er Jahren. Selbst für 3,5 Stunden sind die Themen eine Menge Holz und fordern dem Publikum einiges an Konzentration und Sitzfleisch ab.
Ungewöhnlich ist die Form, in der dieses Sozialdrama erzählt wird. Was sich nach einem Script für einen Film des italienischen Neorealismus anhört, wird bei Antú Romero Nunes, einem weiteren Co-Chef des Basler Leitungs-Teams, zu einem spielfreudigen Reigen aus Slapstick, viel Crossgender/Drag und Körperkomik. Kein naheliegender Gag wird ausgelassen und oft werden die ernsten Themen der Vorlage durch kleine Comic Relief-Nummern, die vermutlich im Proben-Prozess kollektiv entwickelt wurden, aufgelockert.
Das Ergebnis ist zwiespältig: die schweren Themen, von denen der Schweizer Autor Bärfuss erzählen wollte, werden nicht komödiantisch mundgerecht verpackt, sondern oft unter einer dicken Schicht aus Komik und Slapstick regelrecht erdrückt. Die zahlreichen Einlagen des Teams aus langjährigen Nunes-Weggefährt*innen wie Pohl und Gala Othero Winter, die er schon aus Hamburg mitbrachte, und Neuzugängen wie Gina Haller aus Bochum haben zwar Unterhaltungswert, wirken über mehr als drei Stunden aber auch etwas redundant, selbst wenn man wegen massiver Bahn-Verspätung die erste halbe Stunde verpasst hat.
Mit dem wunderschönen schweizerischen Wort „Langfädigkeit“ hat ein Nachtkritik-Kommentar diesen Abend treffend beschrieben, der in Basel am 13. Dezember 2024 Premiere hatte und gestern die Autor*innentheatertage am Deutschen Theater Berlin verbunden. Erfunden hat dieses Festival Uli Khuon, dem Bärfuss besonders eng verbunden ist: mit „Öl“ begann Khuon seine Intendanz 2009, mit „Verführung“ beendete er seine Intendanz 2023 und natürlich brachte Khuon auch in seinem aktuellen Zürcher Interim mit „Sex mit Ted Cruz“ einen neuen Bärfuss-Text auf der Bühne.
Nicht minder prominent ist der Regisseur des Abends: der Stern von Antú Romero Nunes ging vor anderthalb Jahrzehnten als Jungstar des Gorki-Theaters unter der Leitung von Armin Petras auf, Publikumsliebling war er als Hausregisseur am Hamburger Thalia Theater, bevor er nach Basel weiterzog. Zwei Mal war er bereits zum Theatertreffen eingeladen, leider mit schwächeren Arbeiten. Am Wiener Burgtheater inszeniert er ebenso regelmäßig wie am Berliner Ensemble, dort ist für Herbst 2025 eine Shakespeare-Komödie von Nunes angekündigt.
Trotz der beschriebenen Mängel wurde das Bärfuss/Nunes-Eröffnungs-Gastspiel der Autor*innentheatertage im Deutschen Theater Berlin mit langem Applaus gefeiert.
Bild: Ingo Höhn