Den Schullektüre-Klassiker „Biedermann und die Brandstifter“ hat Oliver Reese kurz vor Weihnachten auf den Spielplan gehoben und der österreichischen Regisseurin Fritzi Wartenberg anvertraut. Sie machte im WORX-Nachwuchsprogramm mit „Alias Anastasius“ vor zwei Jahren auf sich aufmerksam und inszeniert nach „Malina“ im Neuen Haus nun erstmals auf der großen Bühne.
Die zentrale Regie-Entscheidung war es, die Figuren in groteske Kostüme von Esther von der Decken zu stecken. Kathrin Wehlisch, die vor kurzem ihr komödiantisches Talent als begriffsstutzige Schauspielerin und überforderte Haushälterin in „Der nackte Wahnsinn“ voll ausspielen konnte, versinkt diesmal in einem mit Schulterpolstern zusätzlich aufgeplusterten, viel zu großen Anzug als Gottlieb Biedermann, Haarwasserfabrikant und Prototyp des Spießbürgers. An seiner/ihrer Seite agieren Pauline Knof als Gattin Babette Biedermann mit Turmfrisur und Maximilian Diehle als Dienstmädchen Anna auf High Heels.
Max Frischs Parabel vom saturierten Bürgertum, das alle Warnzeichen übersieht, bis die Lebensgrundlagen verloren sind, hat in diesen Krisenzeiten eine so offensichtliche Aktualität, dass die Regisseurin und ihre Dramaturgin Sybille Baschung darauf verzichteten, diese Zeitbezüge des 1950er Jahre Stoffs klar herauszuarbeiten. Ihre „Biedermann und die Brandstifter“-Inszenierung folgt konsequent dem eingeschlagenen Pfad und zeichnet Biedermann als lächerlichen Protagonisten einer Farce.
In manchen kurzen Augenblicken während dieser 90 Minuten wird aber deutlich, dass sich die Inszenierzung etwas dümmer stellt als sie tatsächlich ist. Kathrin Wehlisch tritt mehrmals aus der Rolle des tölpelhaften Spießers und spricht das Publikum direkt an: „Sie haben ja leicht reden, Sie sitzen da draußen und wissen wie’s ausgeht. Vergessen Sie nicht, dass ich eine erfundene Figur bin. Mich kann man ja lächerlich machen!“ Kurz vor Schluss, als die beiden Brandstifter (Max Gindorff und Maeve Metelka) mit aktiver Zuschauerbeteiligung die Benzinfässer aus Schaumstoff auf die Bühne gerollt und die Zündschnüre verlegt haben, weist Wehlischs Biedermann die Techniker des Berliner Ensembles an, Jessica Rockstrohs Guckkastenbühne zu demontieren. Das könne man nun ja einfach alles wegkürzen und sparen, ätzt ihr selbstgewisser Biedermann mit einem deutlichen Zaunpfahl-Wink in Richtung des Berliner Senats.
„Biedermann und die Biederstifter“ hatte am 29. November 2024 am Berliner Ensemble Premiere.
Bilder: Jörg Brüggemann